Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Die ital. bild. Kunst in d. ersten Hälfte d. 
J ahrh. 
B. Malerei. 
zelheiten; bei den späteren die Fülle der Ideen, den unversieglichen 
Reichthum der schöpferischen Kraft.  Wir stellen im Folgenden die 
Werke von Rafaels römischer Periode, der bequemeren Uebersicht wegen, 
wiederum in besondere Gruppen zusammen, bei denen die Folge der 
einzelnen WVerke jedesmal den Gang der Entwickelung bezeichnet. 
Die Freskomalereien in den Stanzen des Vatikans (den Prunk- 
gemächern des päpstlichen Palastes) sind dasjenige WVerk, zu dessen Aus- 
führung Rafael nach Rom entboten ward; mit ihnen beginnt seine dortige 
Thätigkeit; die Arbeit an ihnen dauerte bis an seinen Tod, und sie 
wurden erst nach seinem Tode völlig beendet. Aus dem Vorhergehenden 
ergibt sich bereits von selbst, dass sein eigenhändiger Antheil an den 
späteren Werken dieser grossen Reihenfolge minder bedeutend sein 
musste als an den früheren (die späteren wurden sogar im Verhältniss 
zu andern wohl dringender erschienenen Arbeiten auf eine nicht ganz 
erfreuliche Weise vernachlässigt). Rafael hatte die Aufgabe erhalten, hier 
die päpstliche Macht als das, was sie in jenem Augenblicke theils wirk- 
lich war, theils doch zu sein glaubte, als die Herrscherin im Bereiche der 
geistigen und im Bereiche der weltlichen Interessen darzustellen. Er erfüllte 
diese Aufgabe, indem er in seinen Compositionen das Symbolische mit dem 
Historisch-Drarnatischen auf eine umfassende Weise zu verschmelzen wusste. 
Der Inhalt des Einzelnen kann hier nur in kurzer Uebersicht angedeutet 
werden. 1) Stanza della Segnatura (1508-12), mit Darstellungen in Bezug 
auf das geistige Leben der Wissenschaft: der Theologie, Poesie, Philoso- 
phie, Jurisprudenz. 2) Stanza d'Eli0doro (1512-15), mit Darstellungen des 
göttlichen Schutzes der Kirche, in besonderem Bezuge auf die Zeitver- 
hältnisse; die Hauptbilder: die Vertreibung des Heliodor aus dem Tempel 
von Jerusalem, das Wunder der Messe von Bolsena; Roms Befreiung 
von Attila; die Befreiung Petri aus dem Gefängniss. 3) Stanza delP In- 
cendio (seit 1515), mit Darstellungen zur Verherrlichung der päpstlichen 
Macht; vorzüglich bedeutend nur das Bild des Brandes im Borgo. 4) Sala 
di Costantiuo (erst nach Rafaels Tode ausgeführt), mit Gemälden, welche 
die Begründung der weltlichen Macht der Kirche durch Oonstantin vor- 
stellen; vorzüglich bedeutend die grosse, durch Giulio Romano u. A. 
nach Rafaels Zeichnung ausgeführte Constantinsschlacht; die übrigen 
Gemälde zum Theil gar nicht mehr nach Rafaels Composition. 
Ein zweites grosses Werk war die Ausmalung der Logen des 
Vatikans, einer Reihe derjenigen Arkaden (um den Hof des h. Damasus), 
deren Bau durch Rafael selbst vollendet Ward, und die den Zugang zu 
den Stanzen bilden. Rafael hatte den Auftrag hiezu durch Leo X. ers 
halten; doch ist hier im Ganzen nur die Composition sein Werk, die 
Ausführung wurde fast völlig durch verschiedene seiner Schüler besorgt. 
An den dreizehn Kuppelgewölben, welche die Bedeckung der Logen 
bilden, wurden vierundflinfzig biblische Scenen, vornehmlich aus dem 
alten Testamente dargestellt; steht Rafael in den ersten dieser Scenen, 
denen der Schöpfungsgeschichte, gegen Michelangelds Deckengemälde 
der Sixtina zurück, so hat er dagegen in denjenigen Darstellungen, 
welche die Einfalt und Hoheit des Patriarchenlcbens schildern, seine 
innere Eigenthümlichkeit wiederum auf die edelste und liebenswürdigste
	        
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