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III.
Die ital. bild. Kunst in d.
ersten Hälfte d. 16. Jahrh.
Malerei.
scheinen, wenn im Folgenden die sämmtliclien uns bekannten Gemälde
Rafaels namentlich aufgeführt werden.
Die frühste Kunstbildung verdankt Rafael ohne Zweifel seinem Vater,
dessen als eines namhaften Meisters bereits bei den der umbrischen
Schule verwandten Künstlern gedacht ist. Es ist nicht unmöglich, dass
er bereits in dieser Zeit Bemerkenswerthes gemalt habe; doch hat sich
das, was man seiner frühsten Thätigkeit-in Urbino zugeschrieben, als
unbegründet oder entschieden irrthümlich erwiesen. Im Jahr 1494 starb
der Vater, und Rafael kam, nicht lange nachher, wie es scheint, nach
"Perugia in die Schule des Perugino, in der er sich bis in die Zeit
um das Jahr 1504 aufhielt. Hier schloss er sich gänzlich der Richtung
des Meisters an. Man nennt einige Gemälde, die aus der Werkstätte
des Perugino herrühren und in denen der Schultypus bereits ein eigen
anmuthiges und edles Gepräge diat, als von seiner Hand oder mit seiner
Theilnahme gefertigt: ein Christkind mit Johannes, in der Sakristei
von S. Pietro maggiore zu Perugia (Copie nach Perugino); Theilnahme
an dem grossen Bilde der Geburt Christi in der Galerie des Vatikans
(namentlich der Kopf des Joseph); Auferstehung Christi in derselben
Galerie; Theilnahme an einem grossen, jetzt zerstreuten Altarwerke aus
der Karthause bei Pavia, die Hauptstücke früher bei Duca Melzi in
Mailand, jetzt in der Nat.-Gal. zu London (vergl. S. 320). Hier na-
mentlich die Bilder der beiden Erzengel, des Michael und des Rafael mit
dem Tobias, von seiner Hand.
In die Jahre von 1500-1504 fallen die selbständigeren Arbeiten, die
Rafael im Style des Perugino ausgeführt hat und die zu den be-
deutsamsten Erzeugnissen der gesammten umbrischen Schule gehören:
Wir stellen dieselben zur leichteren Uebersicht in einige Gruppen zu-
sammen, bei denen die Folge der einzelnen Bilder die fortschreitende
Entwickelung anzeigt. Zunächst mehrere Bilder von grösserer Di-
mension, von denen die ersten bereits im Jahr 1500 gemalt wurden:
Zwei Gemälde in S. Trinita zu C itta di Castello, die Dreieinigkeit
und die Erschaffung der Eva, ursprünglich die beiden Seiten einer Kir-
chenfahne bildend; die Krönung des h. Nicolaus von Tolentino (eben-
falls für Cittä. di Castello gemalt, nicht mehr vorhanden); ein von vier
Heiligen verehrtes Cruciüx, bisher in der Sammlung des Kardinals Fesch
zu Rom, jetzt bei Lord Ward in London; die Krönung der Maria,
in fder Galerie des Vatikans zu Rom (die drei Bilder der Predella, Ver-
kürldigung, Anbetung der Könige und Darstellung im Tempel, abgetrennt
ill derselben Galerie); die köstliche Vermählung der Maria, in der
Galerie der Brera von Mailand (1504). Sodann mehrere Madonnen-
bilder- Zwei im Museum von Berlin, das grössere (I. no. 223) aus
der früheren Zeit, das kleinere (I. no. 225) aus der späteren Zeit dieser
Periode. Zwei andre sehr zart ausgeführte Madonnenbilder in Perugia,
das eine (bisher) bei der Gräfin Anna Alfani, das andere im Hause
Connestabile. Ferner andre kleine Bilder, zum Theil zu Pre-
dellen (Untersatzstücken grösserer Altarwerke) gehörig: Zwei Stücke in
der Pinakothek von Münch en, die Taufe und die Auferstehung Christi
das Opfer Kains und Abels, ehemals beim Kunsthändler Emmerson in