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III. K. Die ital. bild. Kunst in d. ersten Hälfte d. 16. Jahrh. B. Malerei.
Correggio und seine Nachfolger. 1
Aus derjenigen Richtung der lombardischen Malerei, welche durch
Leonardo da Vinci ihr bestimmtes Gepräge erhalten hatte, entwickelt
sich ein Meister, dessen Werke wiederum den höchsten Erscheinungen
im Gebiete der Kunst zugezählt werden müssen: Antonio Allegri,
genannt Oorreggio (1494-1534). Ueber seinen Bildungsgang liegen
wenig bestimmte Nachrichten vor. Als sein eigentlicher Meister wird
gegenwärtig mit Zuversicht jener ältere lombardische Maler Francesco
Bianchi Ferrari genannt. 2 Das bedeutendste,_ fast das einzig bekannte
unter den Jugendbildern des Correggio, eine thronende Madonna mit vier
Heiligen (darunter der heil. Franciscus) vom Jahr 1514, in der Galerie
von Dresden, lässt dies sein Verhältniss zu dem ebengenannten, sowie
auch zu Mantegnaf mit Bestimmtheit erkennen; zugleich aber zeigt das-
selbe die entschiedene Nachwirkung des Leonardo, wie es an sich das
Zeugniss eines sehr früh entwickelten Talentes ist. Diesem Bilde nahe
verwandt ist noch ein zweites Werk des Correggio, eine Altartafel mit
vier Heiligen, in der Sammlung des Lord Ashburton zu London; dage-
gen zeigt die ebenfalls frühe Ruhe auf der Flucht nach Aegypten, in der
Tribuna der Uffizien zu Florenz, den Meister schon in der ihm eigenen
Kraft des Tones und breiteren Pinselführung. Aber es lebte in Cor-
reggio_ein Geist, der sich bald in einer selbständigen Weise entfaltete.
Er war von der Natur mit dem tiefsten und feinsten Empfindungsvermö-
gen begabt, und seine Bilder wurden der unmittelbare Ausdruck des-
selben," er weiss in ihnen die seligste Lust einer paradiesisch heitern
Welt, die vollste Inbrunst der Liebe (der göttlichen wie der irdischen),
und nicht minder den erschütterndsten Schmerz, der auch die geheimsten
Falten des Gemüthes durchdringt, dem Auge gegenüberzustellen. Dabei
ist eine wunderbare Verklärung über seine Gestalten ausgegossen; ein
reinerer Aether umfängt sie und spielt leise zitternd um sie her, eine
lichterfüllte Luft, die auch die Schatten hell zu machen scheint und
überallhin den Bewegungen jenes gesteigerten Emptindungsvermögens
folgt. Dies ist die Kunst des Helldunkels, welche den Schmelz der Mo-
dellirung, der bei Leonardo da Vinci sichtbar wird, in einem hoch poten-
zirten Maasse ausbildet, und in welcher die technische Meisterschaft des
Correggio beruht. Uebrigens ist bei dieser flüchtigen Charakteristik gleich
von vornherein zu bemerken, dass die Richtung, welche Correggio einge-
schlagen, eine gefahrvolle war, dass seine aifektvolle Beweglichkeit leich-
ter als in andern Richtungen zum Affektirten hiniiberleiten konnte, und
dass eine solche Ausartung (oder wenigstens der Beginn dazu) besonders
da nahe 13g, wo der Gegenstand der Darstellung an sich eine ruhigere
Stimmung erforderte.
Unter den im Folgenden anzuführenden Hauptwerken Oorreggids
nenne ich Zunächst die Cyklen seiner Freskomalereien in Parma, die für
den Gang seiner Entwickelung bestimmte Anhaltspunkte bieten. Im Jahr
1518 malte er hier die zierlichen, der antiken Mythe entnommenen De-
1 Denkmälef der Kunst, T- 75- 2 Waagen, Kunstwerke und Künstler in
Paris, S. 420. 3 Vgl. O. Mündler, Essai p. G5.