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III. K. Die ital. bild.
Kunst in d. ersten Hälfte d.
16. J ahrh. B. Malerei.
artige Charakteristik, die tiefe Durchbildung des Leonardo zu erreichen,
hat er dennoch einen grossen Theil von der eigenthümlichen Richtung
des Meisters mit Glück aufgenommen und frei und unbefangen, seiner
individuellen Stimmung gemäss, weiter zu verarbeiten gewusst. Zugleich
tritt in seinen Werken zuweilen, ebenfalls günstig wirkend, ein Anklang
an Rafael hervor,'wohl mehr durch innere Verwandtschaft als durch un-
mittelbare Nachahmung herbeigeführt. Häufig hat man Bilder Luiniis
als Hauptwerke des Leonardo betrachtet; so einige der bereits im Vo-
rigen genannten Gemälde; so das Brustbild des Johannesknaben mit
dem Lamme, in der ambrosianischen Bibliothek zu Mailand, die Hero-
dias in der Tribune der Uffizien zu Florenz, die Madonna zwischen
der h. Katharina und Barbara in der Gal. Esterhazy zu Wien. Die
Brera von Mailand besitzt eine bedeutende Anzahl von Werken seiner
Hand, zumeist Fresken aus aufgehobenen Mailändischen Kirchen. Andre
Fresken sieht man noch gegenwärtig in verschiedenen Kirchen von M ai-
land, zahlreiche und bedeutende Arbeiten vornehmlich im dortigen Mo-
nastero maggiore (S. Maurizio) imd in der Ambrosiana (grosses Fresko
einer Verspottung Christi); zwei schöne Compositionen im PaLLitta; drei
Altarbilder im Dom von Como. Seine Hauptwerke sind die Fresken
im Franciskanerkloster degli Angeli zu Lugano (um 1529, namentlich
die Leidensgeschichte Christi) und die in der Kirche von Saronno (um
1530, Geschichten der h. Jungfrau und einzelne Heiligenfiguren). Au-
relio Luini, der Sohn des Bernardino, ist ein wenig bedeutender, in
Gefühl und Farbe sehr kalter Nachfolger seines Vaters.
Unter den eigentlichen Schülern des Leonardo soll Francesco
Melzi dem Meister ebenfalls vorzüglich nahe stehen; ihm schreibt man
ein anmuthvolles, aber theilweise übermaltes Gemälde, Vertumnus und
Pomona, im Berliner Museum zu. Andrea Salaino (oder Salai)
beschränkt sich fast nur darauf, die gesuehtesten Compositionen des
Meisters in sorgfältiger Ausführung, aber mit etwas zu sehr in's Röth-
liche fallender Färbung auszuführen. (Bilder in der Brera.) Auch M arco
d'Oggionc ist als ein mehr handwerklicher Maler zu betrachten. (Eine
Reihe von Bildern in der Brera, ein treffliches Altarblatt in S. Eufemia
zu Mailand.) Cesare da Sesto strebte dem Leonardo, wenn schon
ohne grossen Ideen-Reichthum, mit glücklichem Erfolge in gründlicher
Durchbildung des Gegenstandes nach. In früheren Bildern erscheint er
dem Meister sehr verwandt; so in einer Taufe Christi beim Duca Scotti
zu Mailand von einer fast gezierten Eleganz in den halbnackten Haupt-
gestalten. (Die reiche Landschaft des Bildes ist von der Hand des Ber-
nazzano). Später ging Cesare zu Rafael und bemühte sich, dessen
Richtung mit der des Leonardo zu vereinen, ein Streben, das im Ganzen
zu sehr erfreulichen Resultaten führte, wie die beiden Hauptbilder be.
weisen: das fünftheilige Altarbild aus S. Rocco, jetzt beim Duca Melzi
in Mailand, wo die Madonna geradezu aus RafaePs Mad. di Fuligno
entlehnt ist, und eine Anbetung der Könige im Museum zu Neapel.
Andres in der Brera zu Mailand, im Belvedere zu Wien, etc.
Giovan Antonio Beltraffio erinnert mehr, als die ebengenannten,
an die alterthümlich lombardische Schule, deren Richtung sich bei ihm