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511a. Kunst in d. ersten Hälfte a.
III. K. Die ital.
16. J ahrh. A. Sculphlr.
Jahrhunderts wenn man es bei ihm noch so nennen darf im gross-
artigsten Sinne auf; wie die Werke der Antike, so haben auch seine
Gestalten in sich ihr Genügen und ihre Befriedigung; aber sie tragen
zugleich ein eigenthümliches, hochgewaltiges Gepräge, das sie zum Aus-
druck, zur unmittelbaren Personification der elementarischen Kräfte, welche
die Welt halten und bewegen, zu machen scheint. Wo solche Darstel-
lungsweise mit dem Gegenstande in Einklang steht, da wirken sie höchst
ergreifend auf den Sinn des Beschauers; aber auch in andern Fällen
strebt Michelangelo gern nach demselben Eindrücke hin, und er erreicht
denselben alsdann zumeist nur auf Kosten der Naivetät (d. h. der Wahr-
heit). S0 beginnt mit ihm, der einen der höchsten Glanzpunkte der
neueren Bildnerei bezeichnet, zugleich auch, und besonders in der späte-
ren Zeit seines thatenreichen Lebens, der Verfall der Kunst, der in dem
Streben nach äusserem Scheine beruht.
Am Wenigsten gilt das Letztere von seinen Jugendwerken, in denen
seine ungestüme Kraft noch schlummernd erscheint, noch wie träumend
unter dem milderen Hauche der Kunst, die in den Zeiten seiner Jugend
in Florenz blühte. Zu diesen Werken gehört ein anmuthvoller Engel in
S. Domenico zu Bologna, an dem Denkmale des Heiligen knieend, so-
dann zwei Reliefbilder der heil. Familie, in der Akademie von London
und im Museum von Florenz (beide unvollendet). Ihnen reiht sich,
obschon zu höherer Würde erwacht, die Gruppe der Maria mit dem
Christusleichname im Schoosse an, die sich in der Peterskirche zu Rom
befindet und die Michelangelo in seinem fünfundzwanzigsten Jahre fer-
tigte. Etwa gleichzeitig mit dieser ist seine Statue des Bacchus im Mu-
seum von Florenz, wenig später sein kraftvoll belebter Koloss des
David vor dem Pal. vecchio, ebendaselbst (den letzteren fertigte er, als
Zeugniss seines Kunstgeschickes, aus einem Marmorblock, der früher,
durch jenen Agostino di Guccio, übel verhauen war und seitdem unbenutzt
gelegen hatte). Auch eine milde und würdevolle Madonnenstatue in
Notre-Dame zu Brügge reiht sich diesen frühern Schöpfungen an.
Zur Ausführung eines grossartigeren und umfassenden Sculpturwerkes
ward Michelangelo hierauf nach Rom berufen, nachdem Julius II. (1503)
den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte. Der Papst wollte sich ein mäch-
tiges Grabmonument, wie kein zweites vorhanden war, gründen. Michel-
angelo entwarf den Plan und ging an die Arbeit. Das Ganze ward auf
achtzehn Ellen in der Länge und zwölf in der Breite bestimmt, und
zahlreiche Statuen und Reliefs zur Verzierung desselben angeordnet. Die
Statuen sollten die vom Papst mit dem Kirchenstaate wieder vereinigten
Provinzen unter dem Bilde von gefesselten Gefangenen darstellen; ferner
die Künste, ebenfalls gefesselt, weil ihre Thätigkeit durch seinen Tod
gehemmt sei; sodann Moses und Paulus, als Repräsentanten des thätigen
und beschaulichen Lebens; auf dem Gipfel des Monumentes endlich die
Statuen des Himmels und der Erde, als Träger des Sarkophags; u. s. w.
Doch Ward die Arbeit bald unterbrochen, theils wegen mancherlei äusse-
rer Missverhältnisse, theils weil Michelangelo auf Befehl des Papstes die
Deckengemälde in der sixtinischen Kapelle ausführen musste, theils auch
wohl wegen der Kosten, die das riesige Unternehmen selbst verursachte.