Meister von Florenz.
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das Modell zu einem kolossalen Reiterstandbild des Francesco Sforza, in
Mailand gefertigt, gerühmt; doch hat sich dies so wenig, wie sonst ein
sicheres Sculpturwerk seiner Hand erhalten. 1
Ein verwandtschaftliches V erhältniss zu Leonardo, das ebenfalls auf
einen solchen Einfluss hindeuten dürfte, erscheint ferner bei Andrea
Contucci, genannt Sansovino (gest. 1529, nicht zu verwechseln mit
seinem Schüler Jacopo Tatti, genannt Sansovino, von dem später). Vor-
nehmlich gilt dies von einem der vorzüglichsten Werke des Andrea, das
wiederum den edelsten Erzeugnissen der gesammten italienischen Kunst
zuzuzählen ist, der Marmorgruppe der h. Anna und der Maria mit dem
Kinde, in S. Agostino zu Rom; einem Werke, das sich durch ebenso
liebevolle Anmuth und Milde, wie durch hohe Würde auszeichnet. In
Rom sind von A. Sansovino ausserdem noch anzuführen jene schon S. 248
genannten zwei Grabdenkmale in S. Maria del Popolo (1505-1507); hier
sind die Nebeniiguren von idealer Energie, die Statuen der Verstorbenen
von edelster Durchführung, nicht mehr strenge in liegender Stellung,
sondern bereits mit untergestütztem Arme, im würdigsten Ausdruck des
Schlafes, wie er seitdem von Vielen nachgeahmt, von Wenigen wieder
erreicht wurde. ln Florenz fertigte Sansovino- einen Theil der Bild-
werke des Sacramentsaltares in S. Spirito, und die Gruppe des Christus,
der von Johannes getauft wird, über der Hauptpforte des Baptisteriums,
auch diese Arbeit voll hoher grossartiger Reinheit und Einfalt. Das um-
fassendste Werk, welches A. Sansovino in Italien, zwar mehr leitete als
selbst ausführte, betrifft die Anordnung der reichen Sculpturen, welche
das heilige Haus in Loreto schmücken, Reliefs aus der Geschichte der
Maria, Propheten und Sibyllen darstellend; von seiner eignen Hand rüh-
ren hier die Scenen der Verkündigung und der Geburt Christi her. Im
Dom von Genua enthält die Johanneskapelle ausser jenen Statuen Ci-
vitali's zwei von Sansovino: den Täufer und die Madonna, letztere
wiederum ein Werk der lebenvollsten Schönheit. Sonst war Andrea
viel ausserhalb Italiens, u. a. neun Jahre in Portugal, beschäftigt. Im
Berliner Museum befindet sich von seiner Hand ein schönes Relief, an-
betende Engel.
Als dritter neben Rustici und A. Sansovino ist Michelangelo Buo-
narroti (1475-1564) zu nennen. Die Sculptur war das Fach, welches
dieser Künstler zu seinem eigentlichen Beruf ersehen hatte, obschon er
auch in der Architektur, wie bereits früher angeführt ist, Bedeutendes
(zwar zumeist wenig Erfreuliches) leistete, und obschon er bestimmt war,
die reichsten und edelsten Erzeugnisse seines Geistes durch den Pinsel
herzustellen. Michelangelo fasste das realistische Streben des fünfzehnten
1 Die Sammlung des Stadthauses zu Lille besitzt eine weibliche Wachs-
büste, welche dahin aus dem Nachlass des Malers Wicar übergegangen je; Nur
der Kopf ist alt und zeigt deutliche SPuren von Bemalung; die Augen bestehen
aus einer glänzenden Masse; dagegen 1st das Haar plastisch ausgedrückt. Nach
der wunderbaren Schönheit der Forrnen, welche das Portrait in völlig idealer
Weise darstellen, darf man hier auf einen der grössten italienischen Meister, nach
gewissenEiuzelheiten vielleicht sogar auf Leonardo schliessen. S. Fr. Kuglelä
K1. Schriften, II, S. 510.