Die umbrische Schule.
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handwerksmässiges Wesen über; Perugino bildet die Typen eines inner-
lich bewegten Grefühles äusserlich conventionell nach und bringt somit,
in den hiehergehörigen Werken, eine sehr unerfreuliche Wirkung her-
vor. So u. A. der h. Sebastian in S. Francesco zu Perugia (1518) und
ein Freskobild der Pieta (1521) im Dom von Spello.
An Perugino schliesst sich eine bedeutende Anzahl von Gehülfen
und Schülern an, welche seine Darstellungsweise mit grösserem oder ge-
ringerem Talent aufnahmen. Manche von diesen gingen in späterer Zeit
jedoch zu jener frei ausgebildeten Richtung der Kunst über; unter ihnen
der vorzüglichste Zögling Peruginds, Rafael Santi, dessen höhere
Entwickelung zugleich auf die seiner Schulgenossen mannigfach nach-
wirkte. (Von den Werken, die er in der Richtung des Perugino gelie-
fert "hat und die zu den anmuthigsten Blüthen der umbrischen Schule
gehören, wird weiter unten, bei der Betrachtung seiner selbständigen
Thätigkeit, die Rede sein.) Nächst Rafael sind hier vornehmlich her-
vorzuheben: Andrea di Luigi aus Assisi, genannt Plngegno, mehr
Gehülfe und Mitstrebender als Schüler des Perugino, dem letzteren sehr
verwandt, doch mehr monoton im Gefühle; eigen ist ihm eine grössere
Derbheit in der Kopfbildimg seiner Gestalten. Als Hauptwerke, die man
ihm mit Wahrscheinlichkeit zuschreibt, sind zu nennen: eine sehr ausge-
zeichnete Madonna in der Kapelle des Conservatoren-Palastes auf dem
Kapitol zu Rom; eine ganz ähnliche über dem Thor S. Giacomo zu As-
sisi; ein kleines Madonnenbild im Kloster S. Andrea zu Assisi und
eine grosse h. Familie im Louvre-Bernardino di Betto aus Peru-
gia, genannt il Pinturicchio, ebenfalls mehr Gehülfe als Schüler; dem
Perugino an Zartheit und Innigkeit sehr nahe stehend, verfällt er doch
häuüg, zumal in späterer Zeit, in oberflächliche Manier. Zu seinen bes-
seren Arbeiten gehören zunächst mehrere Fresken in Rom: in einer
Kapelle von S. M. Araceli (Geschichte des h. Bernardin von Siena) und
diejenigen im Dom von Spello. (Geringer sind diejenigen in S. Maria
del Popolo und in den Zimmern des Appartamento Borgia, im Vatican,
letztere jedoch durch ungemein prachtvolle Arabesken anziehend). Dann
ein höchst vollendetes Madonnenbild in der Sakristei von S. Agostino zu
San Severino und die Tafeln eines ähnlich gediegenen Altarwerkes in
der Akademie von Perugia. Ein umfangreiches und sorgfältiges Werk
sind sodann die Fresken aus dem Leben des Papstes Pius II. in der Lib-
reria des Domes von Siena, darunter zwei nach Zeichnungen Rafaels
ausgeführt (um 1503).' Mit Pinturicchio ist öfters sein unbedeutende-
rer Landsmann Bernardino Perugino (malte von 1498-1524) ver-
wechselt worden, von welchem das Louvre zu Paris ein aus S. Frau-
Cesco zu Perugia stammendes Bild besitzti Sehr bedeutelid ist ferner
Giovanni, genannt lo Spagna (der Spanier); mehrere Arbeiten seiner
Hand, die sich zu Trevi vorfinden (namentlich in und an S, Martino,
O ljiaooolta delle_ piü celebri pitturgpsistenti nella oittä di Siena. 2 Vergl.
Mundlefv E9931 (Vune analyße ßnhque de 1a notice des tableaux italiellß du
Louvre. p. 167.
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