Die moderne Architektur
Italiens.
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gang zu strengerer elassischer Behandlung machten das Rathhaus zu
Antwerpen und die späteren Theile des Rathhauses zu Gent. Von
den späteren Bauten ist die nach den Zeichnungen von Rubens aufge-
führte Kirche St. Charles zu Antwerpen (1614), eine ziemlich rein be-
handelte Basilika. mit Emporen. Von den holländischen Baumeistern
wird vornehmlich Jacob van Campen (gest. 1658), der Erbauer des
grossen Rathhauses von Amsterdam, gerühmt. Bei dem Verhältniss-
mässig nüchternen Pilastersystem, welches zur äusseren Dekoration die-
ses Gebäudes angewandt ist, trägt dasselbe gleichwohl das Gepräge einer
ernsten, männlichen Kraft.
In Deutschland 1 entstanden bereits seit der Zeit um die Mitte des
16. Jahrhunderts mancherlei, zum Theil nicht unbedeutende Bauanlagen
italienischen Styles. Zu dem Alleranmuthigsten in dieser Gattung ge-
hört das Belvedere Ferdinands I. auf dem Hradschin zu Prag; eine
luftige Bogenhalle, hinter welcher ein edler, einfacher Bau hervorragt;
das Ganze auf hoher Terrasse. Eine besonders prachtvolle Ausbildung
dieses Styles bietet sodann der sogenannte Otto-Heinrichs-Bau an der
Ostseite des Hofes imHeidelberger Schlosse (1556-1559) dar, wie-
derum am nächsten jenen mehrmals genannten lombardischen Bauten
vergleichbar. Schwerer, ernster und barocker ist der nördlich anstossende
Friedrichsbau (1601-1607) gestaltet; der westlich auf diesen folgende
sogenannte englische Bau dagegen ist in dem einfachem italienischen,
Palaststyl vom Anfang des 17. Jahrhunderts aufgeführt. Die prachtvoll.
bizarre Martinsburg in Mainz hält etwa die Mitte zwischen den beiden
erstgenannten Bauten des Heidelberger Schlosses. Der 1569-1571 auf-
geführte Vorbau (Porticus mit Loge) am Rathhaus zu Köln ist von einem
zwar eleganten, aber bereits ebenfalls unreinen Styl. Ungefähr aus die-
ser Zeit das Gewandhaus zu Braunschweig, eine der bedeutendsten
Uebertragungen dcr mittelalterlichen Giebelfronte in diese neuen For-
men. Von grösseren Kirchenbauteng kommen erst die der beginnen--
den Gegenreformation in Betracht, vorzüglich S. Michael in München,
wahrscheinlich von Friedrich Sustris (1583), deren einfach grossar-
tige innere Disposition die friihste nordische Anwendung und YVeiterbil-
dung jenes von Vignola (S. 256) im Gesü zu Rom aufgestellten Princips.
1 Denkmäler der Kunst, T. 87, A 91. 91, A. 2 Es verdient eine
Culturgeschichtliche Beachtung, dass gleichzeitig mit den im modernen Styl auf-
geführten Kirchen von München u. w. in der zweiten Hälfte des Hi. Jahr-
hunderts und in der ersten Hälfte des äH. andere Kirchen, sowohl in katholischen
als in protestantischen Gegenden, den gothischen Styl, wenn auch mit starken
Modificationen, festhielten. Ausser der Kirche zu Wolf enbüttel erwähnen wir
hier nur die Jesuitenkirche zu Coblenz (1609-1615), zu Köln (1621-1622),
höchst brillant und von grosser Wirkung des Innern) und zu Bonn, letztere so-
gar erst gegen 1700 erbaut. Noch merkwürdiger ist das Zuriickgehen auf roma-
nische Formen, wie es sich, mit Reichthum und Geschick verbunden, an 118m
tfhurme von St. Mathias zu Trier, und an einem kleinen Portalbau zu St. Georg
In Köln zeigt. Es wäre von Werth, zu wissen, ob und wie sich diese Erßßhel"
Düngen aus persönlichen Motiven, aus der Künstlergeschichte ableiten lassen.