Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

Die moderne Architektur 
ausserhalb Italiens. 
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entstanden, sind ohne sonderliche Bedeutung. Am meisten ausgezeichnet 
ist unter diesen die von Claude Perrault ausgeführte Hauptfacade des. 
Louvre, mit einer mächtigen Säulenhalle vor den oberen Geschossen. 
Dagegen ist das, von J. H. llIansart gebaute Schloss von Versailles 
ziemlich charakterlos, während sein Invalidendom nicht nur eine der 
prachtvollsten Anlagen, sondern auch eine der schönsten Kuppeln des 
modernen Styles darbietet.  Die französischen Architekten des 18. Jahr- 
hunderts erscheinen durchweg noch ungleich nüchterner als die gleich- 
zeitigen Italiener. Nur Jacques Germain Soufflot (1713-1781), der 
in seinem Kuppelbau der Kirche St. Genevieve (des heutigen Pantheons). 
ein, bei vielen Mängeln doch grossartiges Werk zu Stande brachte, mag 
unter ihnen ausgezeichnet werden.   
In Spanien tritt uns der moderne Baustyl ebenfalls in zwei streng 
geschiedenen Gruppen entgegen: einer unglaublich reichen und pracht- 
vollen Frührenaissance und einem schwereren imposanten sogenannten 
klassischen Sty-l; erstere beginnt mit dem Ende des 15. Jahrhunderts, 
letzterer mit den Studien spanischer Architekten in Italien; sein vollstän- 
diger Sieg über die Renaissance fällt jedoch erst gegen Ende des löten 
Jahrhunderts.  
Der Ursprung jener-Renaissance ist ebenso dunkel als der der 
französischen. Bei den frühesten Beispielen fühlt man sich versucht, 
blos etwa einen Einfluss der Dekorationsweise der Schule Mantegna's 
anzunehmen; Anderes dagegen stimmt in überraschendem Grade mit der 
architektonischen Plastik jener lombardisehen Bauten, der Faeade der 
Certosa etc. überein, an welche sich auch die frühesten Werke Bra- 
mante's ansehliessen; wieder Anderes erinnert ganz deutlich an die bel- 
gische Renaissance mit ihrem Muschelwerk u. dergL, wie sie uns z. B. in 
den Fenstern der St. Gudulakirche zu Brüssel entgegentritt, auch wer-- 
den, wie in der vorigen Periode, einzelne Künstler niederländischer Her- 
kunft genannt, wie z. B. Enrique de Egas, Sohn des Annequin de Egas 
aus Brüssel, und Philipp Viqnernis, zubenannt de Borgogna, allein 
Beide waren in Spanien geboren oder doch erzogen und gewähren daher 
keinen festen Anhaltspunkt. Auch hat diese ganze Frage nur eine unter- 
geordnete Wichtigkeit, wenn man die ganz originelle Begeisterung in's 
Auge fasst, womit die spanische Kunst diese Elemente zu einem neuen 
Ganzen Verarbeitet, und die ausserordentliehe Frische und Kraft der 
Produktion, welche sie dabei an den Tag legt. Eines freilich, was die 
Renaissance überhaupt nur in beschränktem Haasse leistet, nämlich den 
durchgeführten Organismus der Form, darf man hier weniger suchen als 
irgendwo; dafür ist aber die spanische Renaissance die kühnste und 
freiste, man möchte Sagen, die leidensehaftlichste; keinen architektoni- 
schen Gegenstand gibt es, den sie nicht in lebendig überquellenden 
Schmuck zu verwandeln wüsste. Maurische und gothisehe Formen nimmt 
sie massenweise in sich auf und bildet daraus mit spielender Leichtigkeit 
etwas Neues, was durch innere Vitalität und Lebenslust selbst da hin- 
reisst, wo es nahe an das Barocke und Sinnlose streift. Die grosse
	        
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