Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

Italiens. 
Die moderne Architektur ausserhalb 
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jetzt zerstörte Hotel de la Tremouille, in Orleans die Kathedrale), 
gaben die Andern nur das Detail Preis und behielten gothische Dispo- 
sition und Aufriss unter neuem dekorativem Gewande bei. Und auch 
das jetzige Detail ist bei weitem nicht lauter italienische Tradition, son- 
dern gemischt mit zahlreichen gothischen und selbst vorgothischen Ein- 
zelhciten, sowie auch mit einem cigenthümlich barocken Wesen, Welches 
sich dadurch bildet, dass gothisches Detail unter moderner Maske (z. B. 
Fialen als Candelaber oder Obelisken) reproducirt wird. Fra Giocondo 
selbst wandte z. B. an der (nicht mehr vorhandenen) Cour des comptes 
Spitzbogen, Spitzgiebel und Thürmchen an. In den altern Theilen des 
Schlosses von Blois, welche ihm mit grosser Wahrscheinlichkeit beige- 
legt Werden, ist der iiache sogenannte Burgunderbogen auf achteckigen 
u. a. facettirten Pfeilern gebraucht, an den Thürmen Ecksäulen und 
sogar Rundbogenfriese, welche nebst andern romanischen Elementen in 
dieser Zeit hie und da wieder auftauchen. Schon ungleich italienischer 
war das Schloss Gaillon (nach 1510) componirt, welches bald dem 
Giocondo, bald einem Franzosen, Pierre de Valence, zugeschrieben 
wird; der einzige Rest davon, der sogenannte Arc de Gaillon, ist gegen- 
wärtig im Hof der ecole des beaux arts zu Paris aufgestellt. Am un- 
tern Stockwerk des Hofes hatten indess die Pfeiler noch eine völlig 
gothische Dekoration und die Bogen herabhängende Schlusssteine; nur 
das obere Stockwerk war mit dem heitersten Renaissanceschmuck belebt. 
An dem erhaltenen Stücke ist noch der flache Bogen mit durchbrochenem 
Spitzenwerk angewandt.  Von andern Bauten dieser Zeit sind ausser 
einigen höchst prachtvollen Grabmonumenten, welche wir bei Anlass der 
Sculptur zu erwähnen haben, die folgenden zu nennen: das etwas barba- 
rische Palais de Justice in Dijon (begonnen 1510); die sehr elegante 
Fontaine Delille in Clermont (1511), in welcher sich das Princip des 
 gothischen, auf einen Mittelpfeiler concentrirten Brnnnenbaues mit dem 
mehr in's Breite gehenden italienischen anmuthig vereinigt; das soge- 
nannte Manoir dtAngo zu Varengeville unweit Dieppe, zwar erst 
v. J. 1525, doch noch in dem gemischten Style, u. a. m. 
Auch unte1' Franz I. (1515-1547), als die italienische Kunst und 
Denkweise Frankreich noch viel stärker berührte, widerstrebte doch die 
bauliche Oomposition noch mit aller Kraft dem italienischen System der 
Gesammtanordnung nach Massen. An Schlössern und Palästen behielt 
man nach Wie vor die beliebige Unterbrechung der Mauern durch pavil- 
lonartig vertretende Prachtstücke oder Treppenthürme, die schon in 
gothischer Zeit mit Pracht behandelten Dachfenster und Schlöte bei. Im 
Detail verschwindet zwar das unmittelbar Gothische mehr und mehr, 
, hält sich aber um so hartnäckiger in moderner Umdeutung. Auch bei 
den Kirchen hielt man_ noch mit grosser Beharrlichkeit an den gothischen 
Verhältnissen und Grundformen fest; so hat die prachtvolle Kirche 
S. Eustache in PßYisa 199801111611 1532, die schlanke Höhe, die Thürm- 
chen und Strebebbgßn, die. eillwärtstretenden Portale und die Rundfenster 
gothischer Kirchen, nur Alles in schöne Renaissanceverzicrung übersetzt; 
ebenso zeigt der Vorbau von S. Michelin Dijon noch die drei Pracht- 
portale und die Thürme mit Streben, nur dass erstere im Rundbogen
	        
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