Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

Die IPOÖGTIIB Architektur 
ausserhalb Italiens. 
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behandelte. 1 So arg indess eine solche Ausartung war, so entschieden 
dieselbe als die gänzliche Auflösung des architektonischen Sinnes erschei- 
nen musste, so fand sie doch den lebhaftesten Beifall und zahlreiche 
Nachfolge. Rom z. B. ist voll von diesen Fratzengebilden der Architek- 
tur, wie die Fagade von S. Agnese, die der Propaganda, die Kirche der 
Sapienza uÄ s. w.  Unter den Nachfolgern des Borromini, welche im 
Einzelnen den Geschmack des Meisters noch zu überbieten wussten, sind 
Giuseppe Sardi und Oamillo Guarini hervorzuheben; der letztere 
war besonders in Turin thätig. 
 Im 18. Jahrhundert machen sich in der italienischen Architektur 
Bestrebungen bemerklich, die zu einer grösseren Ruhe des Gefühles und 
zu einer strengeren Schulrichtigkeit zurückführen; doch bereiten dieselben 
keine neue geistige Entwickelung vor, sie deuten vielmehr auf einen Zustand 
von Ermattung, der nach so krankhafter Anspannung nothwendig eintreten 
musste. Als die bedeutendsten Meister dieser Zeit mag es genügen, hier 
Filippo Juvara oder Ivara (1685-1735), der u. a. das Kloster der 
Superga bei Turin baute, Ferdinando Fuge (1699-1780), von 
welchem der trotz alles Barocken tüchtige Palast der Consulta und die 
Fagade von S. Maria maggiore in Rom herrühren, und Ludovico Van- 
vitelli (1700-1773), den Erbauer des Schlosses Oaserta bei Neapel, 
angeführt zu haben-Als eines der besten Gebäude ist sonst zu-nennen 
der neue Dom von Brescia. 
moderne Architektur ausserhalb Italiens. 
Die 
Ausserhalb Italiens blieb bei den christlich abendländischen Völkern 
der gothische Baustyl bis in das 16. Jahrhundert hinein fast allgemein 
in Anwendung; die moderne Architektur ward hier somit erst beträcht- 
lich später herrschend. Doch haben wir, bereits früher, an denjenigen 
Monumenten des gothischen Styles, welche dem 15. und dem Anfange 
des 16. Jahrhunderts angehören, sehr häufig eine Behandlungsweise wahr- 
genommen, die in der That  ohne zwar irgend eine Gemeinschaft mit 
dem Formen-Princip der Antike zu verrathen  dennoch als ein Aus- 
druck des neueren Zeitgeistes zu betrachten ist: in_ jener Rückkehr zu" 
einer grösseren Massenwirkung, sowie zu dem Gesetz der Horizontal- 
linie und den hievon abhängigen Bogenformen (Flach- und Halbkreis- 
bögen, die besonders bei nicht kirchlichen Gebäuden erscheinen). Durch 
eine solche Richtung des künstlerischen Gefühltes War auch hier die Auf- 
nahme der antiken Formen wenigstens vorbereitet. 
Ein erster Anstoß kam aus Italien auf beinahe unsichtbarem Wege 
nach dem Norden 2 und brachte hier einen anmnthig spielenden Dekora- 
1 Vielleicht die äusserste Grenze bezeichnet der Thui-m des Klosters der 
Vallißella in E0111: Welcher im Grundplan zwei schmalere convexe und zwei 
breitere concave Seiten derbietet.  2 Nach Mertens (Prag etc. in Förstefs Ball- 
zeihmg 1345) stammen d1e_ belden ältesten Beispiele einer Dekorafion im sogen- 
Renaissaneestyl in Frankrelch und in Deutschland, der Krönungssaal allf dem 
Hradschin zu Prag und ein Gebäude zu Solemes in der Touraine, aus einem 
und demselben Jahre 1493.
	        
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