Die italienische Architektur des
Jahrhunderts.
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sten des romanischen und des gothischen Styles entgegengetreten war;
der oifne heitre Charakter der letzteren, namentlich jene Anordnung gros-
ser Fensterlogen an den mittleren Theilen, wird beibehalten, und nur
das architektonische Detail, namentlich das der Säulen und Bögen, welche
die Fensterfüllungen bilden, mit ebensoviel Glück wie Geschmack in an-
tiken Formen gebildet. Die venetianischen Paläste dieser Zeit zeichnen
sich, im Gegensatz gegen den machtvollen Ernst jener Paläste von Tos-
kana, durch Leichtigkeit und Eleganz aus; eine besondre Weise der De-
koration, die sich auf die ältesten venetianischen Vorbilder, auf die An-
lagen des byzantinischen Styles (wie S. Marco), zu gründen scheint, dient
vortheilhaft zur Verstärkung dieses Eindruckes. Es ist eine Art musivisch
farbigen Schmuckes, indem Täfelungen, Kreise, Leistenwerk und derglei-
chen, aus verschiedenfarbigem werthvollem Steine gebildet, als Füllstücke
in das Mauerwerk der Facaden eingelassen sind. Die kirchlichen Ge-
bäude, im Inneren zwar weniger bedeutend, nehmen in der Gestaltung
ihres Aeusseren an diesen Einrichtungen Theil; auch zeigt sich hier noch
eine bemerkenswerthe, der byzantinischen Architektur entnommene Eigen-
thümlichkeit, welche sich mit der phantastischen und doch reizvollen
Pracht jener gesammten Dekorationsweise auf ansprechende Weise ver-
einigt; diese besteht in der Form der halbrunden Giebel des byzantinischen
Styles, die sich nunmehr auf mannigfach brillante Weise gestalten.
Als die Meister der Bauanlagen dieser Art werden verschiedene Archi-
tekten namhaft gemacht, doch ist es schwer, den Einzelnen das ihnen
Zugehörige anzuweisen. Besonders zahlreich sind die Werke, die man
der Familie der Lombardi zuschreibt; als die ausgezeichnetsten unter
den Gliedern dieser Familie werden Martino und Pietro Lombardo
genannt.
Unter den venetianischen Palästen der in Rede stehenden Periode
sind als Hauptbeispiele zu nennen: der Palast Pisani a S. Polo, ebenso
geschmackvoll in der Gesammt-Anlage wie durch die Feinheit und Tüch-
tigkeit des Details ausgezeichnet; jedes Geschoss durch vier Pilaster in
drei Haupttheile gesondert, wobei die Logen der mittleren Theile durch
zierliche Säulen-Arkaden gebildet werden, während in den Seitentheilen
einzelne Bogenfenster angebracht sind. Die Paläste Angarani (oder
Manzoni) und Dario, beide in ähnlichem Styl und mit sehr reicher Deko-
ration Versehen. Der Palast Vendramin Calergi, 1481, als Werk des
Pietro Lombardo geltend; in ähnlich reichem Schmuck, doch schon
strenger antikisirend, indem z. B. die Hauptlogen in je drei grosse Bo-
genfenster zerfallen, die von Halbsäulen mit geraden Gebälken getrennt
werden; (übrigens noch jedes Fenster durch eine Säule mit kleineren
Bögen ausgefüllt). Der Palast Corner Spinelli, in verwandtem System.
Der Palast Contarini, 1504; etwas strenger, doch ebenfalls mit feinem
Geschmack ausgeführt. Der Pal. Trevisan hinter dem Dogenpalast.
Der Palast de" Camerlinghi neben Ponte Rialto, gebaut von Guglielmo
Bergamasco, 1525; höchst anmuthvoll, aber schon Arkadenfenster mit
Pfeilern. Hauptbauten vom Ende des 15. Jahrhunderts sind endlich
die Procuratie vecchie am Markusplatze, von Mastro Bartolommeo
Buono Bergamasco erbaut, die Facade bestehend aus drei sehr tüch-