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Die Kunst des gothischen
Kirche S. Marien zur Wiese in Soest, schon 1331 durch Meister
Johannes Schendeler begonnen, aber in langsamer Bauführung erst
spät vollendet. Die Gewölbe sind noch einfache Kreuzgewölbe, steigen
aber unmittelbar ohne Kapitäl von den schlanken Pfeilern auf; der Chor-
abschluss ist ein dreifach polygoner, die Facade ungewöhnlicher WVeise
durch zwei Thürme ausgezeichnet. Entschieden dem 15. Jahrhundert ge-
hören sodann der Chor der Reinoldikirche zu Dortmund, von statt-
licher Anlage mit reichen Fenstermaasswerken (1421-50); der ansehnliche
Westthurm der Petrikirche daselbst, seit 139d errichtet; der Chor der
Kirche zu Unna, 1389-96, mit hallenartigem Umgang; ebenso, nur mit
niedrigem Umgang der Chor der Marienkirche zu Osnabrück, im ersten
Viertel des 15. Jahrhunderts dem ältern Langhause zugefügt; und der Chor
der Marieukirche zu Lippstadt, wieder mit hallenartigem Umgange (1478
bis 1506), die einzigen derartigen reicheren Planbildungen in Westphalen.
Unter der grossen Anzahl-schlichter Hallenkirchen sind sodann als
die bedeutendsten zu nennen: die von Beckum, Borken, Haltern,
die nach 1460 erbaute zu Blomberg, die Kirchen zu Rheine, zu
S t a d t 1 o 11 n, zu A h a u s, besonders und zwar in stattlicher An-
lage die Kirche zu Bocholt, der Chor 1415, der Westthurm 1472
begonnen. Weiterhin die Kirche zu Möllenbeck vom Jahr 1493, das
Langhaus der Kirche zu Wiedenbrück, endlich mehrere mit zierlichen
Netzgewölben versehene: die Pfarrkirche zu Vreden vom J. 1478, die
Lambertikirche zu Koesfeld vom Jahr 1483, die 1489 begonnene Kirche
zu Notteln und die 1507-15 erbaute Kirche zu Lüdinghausen, der
massenhafte Westthurm 1558 vollendet u. a. m.
Die dekorative Kunst hat einen Reichthum von Werken hervor-
gebracht, der mit der fast nüchternen Einfachheit der Gebäude einen
scharfen Gegensatz bildet. Namentlich findet man eine grosse Anzahl
oft glänzend ausgebildeter Tabernakel. So zu Soest in der Pauls-
kirche, der Wiesenkirche und der Höhenkirche; zu Dortmund ein sehr
prachtvolles und grosses in der Dominikanerkirche, zwei in der Reinoldi-
und eins in der Marienkirche; zu Osnabrück ein Sehr Sßllönes in der Jo-
hanneskirche, ein andres im Dom; eins aus der Schlussepoche im Dom
zu Münster u. a. m. Altäre mit Tabernakelkrönung in der Kirche zu
Unna, im Dom zu Paderborn, der Wiesenkirche zu Soest und der
Bergkirche zu Herford. Ein prachtvoller Lettner ist der sogenannte
"Apostelgang" im Dom zu Münster.
Für den Profanbau sind einige Rathhaus-Facaden bemerkenswerth:
zu Osnabrück und zu Unna, Wohnhäuser zu Lemgo, Herford,
Bielefeld, besonders zahlreich zu Münstel; Endlich ein Stadtthor
vom J. 1535 zu Soest, das "Osthofer-Thor".
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Der norddeutsche Baeksteinbau gewinnt in dieser Spätzeit
eine noch entschiednere Richtung auf Grogsräumigkeit und lllassenhaftig-
keit der Anlage, verliert jedoch an Feinheit in der Durchbildung der
architektonischen Glieder, welche Einbusse er mehr durch willkürliche oft
überaus glänzende Flächendekoration zu ersetzen sucht.