Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Die Kunst des gothischen Styles. 
Gestalten, häufig Statuen, zu enthalten pflegt, und aus schmaleren Sei- 
tenschreinen, welche mit Relieffiguren ausgeführt sind; die letzteren wer- 
den als Flügel über jenen gedeckt und ihre Aussenseiten sind in der 
Regel mit Gemälden geschmückt. So gehören die meisten Werke dieser 
Art völlig der gemeinschaftlichen Thätigkeit der Sculptur und der Ma- 
lerei an.  
Soweit übrigens bis jetzt über diese Altarwerke, sowie über die ih- 
nen entsprechenden Votivstatuen, einige nähere Kunde vorliegt, scheinen 
sie besonders erst in der späteren Zeit des gothischen Styles, etwa in 
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und im folgenden, als künstle- 
risch bedeutsame WVerke hervorzutreten. Als namhafte Werke sind an- 
zuführen: Ein Altarschrein in der Kirche zu Altenberg a. d. Lahn, 
etwa um 1300 verfertigt, mit einer sitzenden Statue der Madonna von 
sehr streng gothischem Styl.  Ein Altar in der Johanniskapelle des 
Domes zu Köln (früher in der dortigen Kirche der hl. Clara), mit den 
Figuren der zwölf Apostel, ein Werk, das indess durch die daran be- 
findlichen Gemälde von der Hand des Meisters Wilhelm (vergl. unten) 
höheren Werth zu haben scheint, als durch diese Figuren.  Mehreres 
in westphälischen Kirchen.  Ein Schrein in der Kirche zu Garden, 
mit Terracottafiguren.  Ein grosser Altar in der Barfüsserkirche zu 
Erfurtf mit der Krönung der Maria, vier biblischen Scenen und den 
Figuren der Apostel, weich und reich gebildete Darstellungen, doch noch 
etwas starr im Gefühl (auch hier in den Gemälden das künstlerische 
Gefühl lebendiger).  Eine Madonna mit dem Kinde im Franciscaner- 
kloster zu Egcr und ein colossales Crucifix in der Theinkirche zu Prag, 
das letztere besonders von grossartiger und tiefbedeutsamer Durchbil- 
dungß  Verschiedene Altarwerke und einzelne Statuen, von grösserem 
und geringerem Kunstwerthe, in einzelnen Kirchen von Pommernf in 
der Marienkirche zu Treptow an der Rega, in der Nicolaikirehe zu 
Stralsund, in der Marienkirche zu Anelam, in der Schlosskirche zu 
Franzburg, u. s. w.; höchst ausgezeichnet aber unter diesen  das 
edelste und vollendetste Werk deutsch-gothischer Sculptur, soweit mir 
davon überhaupt eine Kunde vorliegt  das Altarwerk in der Kirche 
von Tribsees (nahe an der mecklenburgischen Gränze). Der Gegen- 
stand, den dassclbe, in einer Reihe einzelner Reliefs, enthält, bezieht 
sich. auf die kirchliche Lehre der Transsubstantiation; es ist die (symbo- 
lische) Darstellung, wie das Wort zum Brod und Wein wird, und wie 
letztere von den Lehrern- der Kirche empfangen und als das heilige Mahl 
ausgetheilt werden. Noch bewegt sich der gothische Styl hier in seinen 
völlig gesetzmässigen Formen; aber es sind dieselben zur lautersten An- 
muth und Zartheit ausgebildet, es vereint sich in diesen Gestalten, je 
nach ihrer besonderen Bedeutung, die feierlichste Würde mit der Milde 
des seelenvollsten Ausdruckes und zugleich bereits mit einer eigenthüm- 
1 Vgl. Sohorn, über altdeutsehe Sculptur, mit besonderer Rücksicht auf die 
in Erfurt vorhandenen Bildwerke, S. 17.  2 Wach, Bemerkungen über E611- 
Sculptur mit farbiger Anmalung, im Seholnschen Kunstblatt, 1833, Nr. 2 f.  
3 S. m. Pommer'sche Kunstgeschichte, S. 194-206, wieder abgedruckt in den 
K1. Schriften, I, 794 ff.
	        
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