Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Die Kunst des gothischen Styles. 
Grabmonument des William von Valence (gest. 1296), gleichfalls aus ver- 
goldetem und mit Emailschmuck reichlich versehenen Kupfer gearbeitet, 
gilt für ein Werk französischer Technik. In Deutschland ist der Reli- 
quienschrein der hl. Elisabeth in ihrer Kirche zu Marburg ein glänzen- 
des Werk ähnlicher Gattung, so starr im Figürlichen, wie graziös in den 
Emailornamenten. 
Ein merkwürdiges Stück, welches eine anderweitige Verwendung der 
dekorativen Mittel darlegt, ist ein Grabstein in St. Castor zu Coblcnz, 
mit der Inschrift „Scolasticus". Er hat in der Darstellung der Gestalt, 
welche noch die starren Typen romanischer Bildung bewahrt, die Reste 
eines wachsartigen Farbeniiberzuges. Die architektonische Umfassung ist 
frühgothisch. 
Der unbefangenere Anschluss an die zeitthümlichen Stylformen zeigt 
sich in ehernen Grabtafeln, deren Darstellung einfach aus gravirter Zeich- 
nung besteht. Sie kommen gegenwärtig allerdings erst in vereinzelten 
Beispielen vor. Als ein derartiges Werk deutscher Kunst, schon aus der 
Mitte des Jahrhunderts, wird die Grabtafel des Bischofes Yvo im Dome 
zu Verden erwähntf  
Dritte 
Perio 
Die dritte Periode der Gothik, die Zeit des 14. Jahrhunderts, enthält 
die Mittelstufe der gothischen Stylentfaltungen. Der künstlerische Geist 
findet in der strengen Erhabenheit, welche die grossen NVerke des 13. 
Jahrhunderts zur Erscheinung gebracht hatten, keine Befriedigung mehr; 
es treibt ihn, das an diesen entwickelte System mit flüssigerem Leben zu 
erfüllen, die Gesetze desselben bis zu ihren letzten Consequenzen hinaus- 
zuführen. Das Wunder des Systems vollendet sich; das ekstatische Mo- 
ment kommt zum lebhaften und schwungvollen Ausdrucke, aber in glei- 
chem Maasse auch das Moment des Calcüls, darauf jenes Wunder sich 
gründete. Der nothwendige, aus dem innern Princip sich ergebende 
Fortschritt nimmt zumeist, ebenso nothwendig, ebenso aus dem Princip 
heraus, ein typisch eonventionelles Gepräge an; der flüssigen Behandlung 
der Form tritt, ebenfalls schon mit dem Anspruch auf Geltung, eine 
andre von mehr nüchterner Trockenheit gegenüber. Zugleich gewinnt 
das individuelle Vermögen einen umfassenderen Spielraum; es bewegt sich 
zum grossen Theil allerdings in den vorgeschriebenen conventionellen 
Formen, welche das Allgemeine der zeitthümlichen Sinnesweise bezeich- 
neten; aber seine eigenthümliche Kraft wirkt, mit nicht geringerer Noth- 
wendigkeit, diesen conventionellen Banden mehr und mehr entgegen. So 
leitet sich, innerhalb des Oharakteristischen dieser Periode, eine neue 
Entwickelung unmittelbar ein. 
Der Antheil der Nationen an den künstlerischen Entwickelungen des 
14. Jahrhunderts ist von den Verhältnissen des vorigen in mehrfacher 
Beziehung unterschieden. 
Schnaase, 
685.
	        
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