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Styles.
Die Kunst des gothischen
noch völlig in einem irisch-barbaristischen Schematismus gezeichnet sind.
Man hält ihn für den Stein des Bischofes Bartholomäus, gest. 1184; das
Architektonische deutet jedenfalls auf eine Ausführung nach dem Beginne
des 13. Jahrhunderts. Ihm schliessen sich, ebendaselbst, in einem mehr
gemessenen typischen Gepräge und mit ähnlicher architektonisch dekora-
tiver Zuthat, der angebliche Grabstein des Bischofes Henry Marshall
(gest. 1206) und der des Bischofs Simon de Apulia (gest. 1223) an. ' Da-
gegen hat die Figur in dem stattlichen Monumente des Erzbischofes Wal-
ter Gray (gest. 1255) in der Kathedrale von York, 2 bei Schlichter He]-
tung, die charakteristischen Linien des, schon weich behandelten gothischen
Styles. Von hervorstechenderer Bedeutung sind die ritterlichen Grab-
steine. Man weicht hier, in d'or gegenwärtigen Epoche, von der Sitte des
Continents ab, welche den Bestatteten in feierlicher Ruhe, zumeist etwa
mit betend gefalteten Händen, darzustellen pflegt; man giebt der Gestalt
fast durchgängig eine freiere, selbst kühne Bewegung, die, in einer mehr
realistischen Auffassung, Motive des Lebens festhält und diese mit naiver
Beobachtung nachbildet, während der einhüllende Kettenpanzer, der ein-
fache Waffenrock allerdings eine vorherrschend schlichte künstlerische
Behandlung bedingen. Schon in Gestalten der früheren Zeit des Jahrhun-
derts, bei noch strenger Fassung und einfach motivirter Geberde, tritt
diese Richtung hervor; z. B. bei dem Grabstein des William Longespce
(gest. 1227) in der Kathedrale von Salisbury. Bald aber macht sich
jene grössere Lebhaftigkeit geltend; die Beine erscheinen in der Regel
gekreuzt, ein zierliches oder auch ein stürmisches Schreiten andeutend;
die Haltung der Arme ist durch verschiedenartige Motivirung bewegt,
nicht ganz selten den Schwertgrif wie zur kräftigen Abwehr eines krie-
gerischen Angriifes fassend. Die Kirchen Englands enthalten zahlreiche-
Denkmäler der Art. Eine ganze Folge befindet sich in der Templerkirche
von London. Zu den vorzüglich bemerkenswerthen gehört das, der spä-
teren Zeit des Jahrhunderts angehörige des Herzogs Robert von der
Normandie, Sohnes Wilhelms des Eroberers, in der Kathedrale von
Gloucester. 3
Die Architektur war im Allgemeinen nicht auf die umfangreiche und
durchdachte bildnerische Ausstattung wie die nordfranzösische berechnet.
Dagegen giebt die in ihr vorherrschende dekorative Behandlung zur durch-
gehenden Verwendung von Dekorativ-Sculpturen Anlass, die, zumeist ohne
eine selbständige Bedeutung, mit den schmückenden Architekturformen
verschmolzen sind. In diesen ündet jenes launische Element, welches
diese Systeme so oft erfüllt, willkommene Gelegenheit zur neuen Entfal-
tung; es steigert sich manches Mal zum grotesken Humor, der eines
schlagend kühnen Ausdruckes fähig ist, z. B. in den verwegenen Teufel-
bildern, welche hier und dort über den Kapitälschmuck im Querbau der
Kathedrale von York hinausragen. Aber es sänftigt sich ebßllsß auch
zur zarteren Grazie und erfreut das Auge nicht selten durch schmückende
Bildungen von anmuthvoller Schönheit.
1 Vergl. Britton, Exeter Cathedral, Cath. antt., IV, pl. 20, f.
York, Cath. (O. a., I.) pl. 36. 3 Denkmäler der Kunst, T. 60 A
2 Derselbe,