Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Die Kunst des gothischen Styles. 
jüngere Arbeiten an, die letzteren voll naiver Frische und in einzelnen 
Figuren mit dem Ausdrucke eines starken Pathos.  Einige Statuen im 
Chore des Domes von Meissenß Kaiser Otto I. und seine Gemahlin 
nebst zwei Heiligen gehören einer ebenfalls etwas jüngeren Bethätigung 
der in den Naumburger Statuen ausgesprochenen künstlerischen Richtung 
an. Sie haben noch die (zwar zum Theil erneute) Bemalung. 
Ein merkwürdiges Grabmonument vom Schlusse des Jahrhunderts be- 
iindet sich in der Kreuzkirche zu Breslau, das des Herzogs Heinrich IV. 
(gest. 1290).? Die Deckplatte desselben ist eine Arbeit von gebranntem 
Thon, mit der üblichen Darstellung der Gestalt, in derber durchgebildeter 
Kraft, mit alter Bemalung. Die Tumba, von Sandstein, stellt die Perso- 
nen des Begräbnisszuges und auf den Ecken vier Engel dar, welche die 
Deckplatte zu tragen scheinen, diese von graziös naiver Bewegung. 
Umfassendere Sculptur-Ausstattung im Sinne des französisch-gothi- 
sehen Systems, aus der Spätzeit des Jahrhunderts, findet sich an den 
beiden grossen oherrheinischen Domen. In reicher Entfaltung vornehm- 
lieh an dem Münster von Strassburg. Hier ist das Meiste jedoch bei 
den Revolutionsstürmen zu Ende des 18. Jahrhunderts vernichtet und 
neuerlich hergestellt worden, so dass nur noch einzelne Stücke des Vor- 
handenen für die in Rede stehende Epoche in Betracht kommen. Einige 
Arbeiten, in fein conventioneller Behandlung, erscheinen noch dem Ueber- 
gange aus dem romanischen in den gothischen Styl angehörig, namentlich 
die Figuren von Evangelisten und Engeln an der Mittelsäule im südlichen 
Querschiffflügel, dem sogenannten Erwinspfeiler. Unter den Sculpturen, 
welche das Portal des südlichen Querschiifflügels schmücken, sind als. 
alte Arbeiten von Bedeutung die symbolischen Statuen des alten und des 
neuen Bundes (Kirche und Synagoge) zu nennen; Sie Zßißllnell sich, 011118 
sonderliche Naturfülle, durch naives Gefühl, Feinheit der Bewegung, 
durchgebildete Gewandung aus. (Man hat vermuthet, dass sie, wie andre 
Sculpturen des Portales, von der Tochter des Meisters der Wbstfacadc, 
Sabina von Steinbach herrührten, deren Name in der That bei einer 
der dortigen alten Statuen genannt war.) Von verwandter Art und Be- 
deutung sind ebendort die beiden Reliefs der Portalbögen, den Tod und 
die Krönung der Maria darstellendf Die Sculptureil der Westfagade 
wiederholen in dem Reichthum der Anordnung, in der Austheilung, in 
der Entwickelung des gedanklichen Gehaltes das Vorbild der grossen 
Kathedralen des nordöstlichen Frankreich; unter den alten Stücken sind 
besonders die Statuen des südlichen Seitenportales, welche die häuiig 
yorkommende symbolische Darstellung der klugen und thörichten Jung- 
frauen enthalten, von Bedeutvzfg, im ausgebildeten Style der Zeit, in cha- 
rakteristischer Mannigfaltigkeit der Bewegungen und der Motive des Aus- 
drucks.  Das zweite Beispiel enthält die bildnerische Ausstattung des 
1 Zu Puttrich (Denkm. der Baukunst in Sachsen, I, II, Ser. Meissen (vergl. 
Düsseldorfer Kostümbuch, Taf. 34.  2 Büsching, Grabmal Herzogs Heinrich des 
vierten von Breslau.  3 Denkm. d. Kunst, Taf. 60 A, Fig. 7.
	        
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