Zweite
Periode.
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terem Deckel versehen, hat auf den Seitenwandungen, ausser einer Scene
mit der Figur des Bestatteten, eine Anzahl allegorischer Gestalten in
eigenthümlich lebhaften, gespreizten Geberden. Es ist die Arbeit einer
allerdings eigenthümlichen, etwas derben Bildnerhand, die (noch in dem
Sinne der hastigen Bewegung in Werken romanischen Spätstyls) nach
möglichst lebendigem Ausdrucke hascht, während sich in den Gewand-
motiven die Typen des beginnenden gothischen Styles auch hier-bestimmt
erkennen lassen.
M a g d e b u r g besitzt ein merkwürdiges Denkmal frühgothischei" Sculp-
tur in der Reiterstatue Kaiser Ottols I. auf dem alten lilarkteß Es ist
eine Arbeit von wiederum strenger und sehr schlichter Fassung, aber
durch die energische Haltung der Figur und die sprechend individuelle
Durehbildung des Kopfes von lebhafter Wirkung. Zwei allegorische weib-
liche Gestalten, zu den Seiten des Reiters stehend, sind durch Kopfbil-
dungen ausgezeichnet, welche schon die volle Naivetät der Natur (in ächt
sächsischer Stammeseigenthümlichkeit, wie später in den sehlichteren
Weiblichen Köpfen Cranach'scher Gemälde,) zur Erscheinung bringen. Der
architektonische Unterbau der Gruppe hat in seinen ursprünglichen For-
men noch romanische Reminiscenzen; später verstärkt, etwa zu Ende des
14. Jahrhunderts, sind ihnen andre Figuren in dem Style dieser jüngern
Zeit hinzugefügt worden. (Das Denkmal befand sich in sehr schadhaf-
tem, zum Theil fragmentirtem Zustande; es ist gegenwärtig hergestellt
Würden.) Eine andre Gruppe, denselben Kaiser und seine Gemahlin
Editha vorstellend, in "einer kleinen frühgothischen Polygonkapelle des
Domes von Magdeburg, hat ein abweichendes Gepräge, schwerer in den
Formen und weichlicher in der Behandlung.
Von sehr ausgezeichneter Bedeutung sind die Sculptnren, welche das
Innere des Westchores des Domes von Naumburg schmücken. 2 Zu-
nächst die Statuen der Stifter des Gebäudes an den Wandpfeilern des
Chores, gleichzeitig mit dem Bau desselben ausgeführt, eine Reihenfolge
männlicher und weiblicher Gestalten, von denen einige als Paare zusam-
menstehen. Auch hier herrscht die volle Einfalt des Styles, in ruhig
klaren und grossen Linien, während in der Körperlichkeit dieser Gestalten
ein kräftiges Lebensgefühl, in dem Charakterausdruck, der Geberde, der
hiedurch motivirten Gewandung eine ungesuchte Mannigfaltigkeit zur Er-
scheinung kommt und gleichzeitig ein gemeinsam geistiger Zug, der eines
stillen Adels, diesen Kreis würdiger Persönlichkeiten erfüllt. Die künst-
lerische Hand steht, ohne ein sonderlich virtuosisches Streben, der Voll-
endung nahe; die Andeutung zarten Affektes äussert sich noch in einem
halb conventionellen Lächeln. Die Sculpturen des Lettners, welcher den
Chor vom Schiff des Domes trennt, ein Cnuciüx mit Maria und Johannes
und ein Fries mit Scenen der Passionsgeschichte, schliessen sich als wenig
tungsvoller Neubauten eintritt, z. B. bei St. Denis in Frankreich oder bei Voll-
endung des Domchores von Köln.
1 v. Quast, in der Zeitschr. f. ehristL Archäohgie u_ Kunst, I, g_ 10g (Den
beigegebenen Abbildungen fehlt in den figürlichen Theilen die charakteristisch
energische Eigenthürulichkeit.) 2 Denkmäler der Kunst, T. 59 (l, 2).