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III.
Das
Alterthum
des mittleren
Asiens.
räthen erscheint die Form der Volutc, in lebendiger Ausbildung, häufig
angewandt. Eine andre überall angewandte Dekorationsform ist die einer
Fächerblume oder Palmette, in einer Behandlung, welche ebenfalls als
Vorbild der griechischen Gestaltung dieses Dekorationsstückes gelten muss.
Diese Formen haben särnmtlich etwas Bewegtes, schwellend Elastisches,
im entschiedenen Gegensatz gegen die Strenge der ägyptischen Formen-
bildung. Anderweit ist zu bemerken, dass bei der häuüg vorkommen-
den Darstellung von Städten und Burgen diese fast durchgängig mit Bo-
genthoren versehen erscheinen, was auf eine Ziegelwölbung (dergleichen
sich in einzelnen Resten wirklich erhalten haben) zu deuten sein wird.
Bei der Einfachheit der architektonischen Anlage sind die Unter-
schiede j'e nach der früheren oder späteren Epoche nur gering. Die Ge-
bäude der letzteren haben insgemein minder schmale Räume als die der
ersten. Das Ornament (z. B. die Palmettenform) ist in diesen herber ge-
bildet, in jenen geschmackvoller und freier entwickelt. Ueberhaupt ge-
hören die bis jetzt bekannten Zeugnisse architektonischer Einzelformen
vorzugsweise den späteren Gebäuden an.
Ausserhalb des Lokales von Ninive sind bis jetzt Wenig Monumente
assyrischer Kunst entdeckt werden. Die wichtigsten sind die besonders
alterthümlich erscheinenden Ruinen von Arban, am Khabur, westlich
von Mosul, und die von Kalah Schergat, einige Meilen südlich von
Nimrud, am Tigris; dann Felssculpturen bei Bawian und bei Malthai-
jah, nordwärts von Mosul, im kurdischen Gebirge.
ildn
Die Bildnerei der Assyrer hat, wie die der Aegypter, einen völlig
monumentalen Zweck. Neben einzelnen Gestalten von mythischer Bedeu-
tung, neben einzelnen Erscheinungen einer rituellen Symbolik sind es
Darstellungen geschichtlichen Inhaltes, zur Feier eines bestimmten Herr-
scherlebens, aus denen diese Bildwerke bestehen: Scenen der königlichen
Würde, des Lebensgenusses, z. B. der Freude der Jagd, der mannigfaltig-
sten- Begebenheiten in Krieg und Schlacht. Alles Einzelne des Lebens
ist wiederum mit entschiedener Sorgfalt nachgebildet, so dass sich auch
hier eine sehr rmifassende Veranschaulichung der bezüglichen Oultur-
Sphäre darbietet. Insgemein ziehen sich zwei Reliefreihen von nicht er-
heblicher Grösse, übereinander geordnet, über die Wände hin. Reichliche
Inschriften geben näheren Aufschluss über die in den Bildern vergegenwär-
tigten Begebenheiten; sie sind in der keilförmigen Schrift, welche bei den
mittelasiatischen Völkern im Gebrauch war und welche die Wissenschaft
unsrer Tage wieder zu entziffern begonnen hat, gebildet. Bildwerke, die
nicht an der architektonischen Masse haften, kommen höchst selten vor.
Die bedeutendsten Stücke der Art, eine stehende Statue, aus den Bau-
lichkeiten der Nordwestecke von Nimrud, und eine sehr verstümmelte
sitzende Statue, zu Kalah Schergat gefunden, gehören der älteren Epoche
der assyrischen Kunst an.
Der assyrischen Bildnerei fehlt das architektonisch Feierliche der