Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Die Kunst des romanischen Sigles. 
Die Stärke der Empfindung, welche das soviel unvollkommenere Relief 
von Luoca noch durchwaltet, der.tiefe Einklang zwischen lnhalt und Dar- 
stellung, den die sächsischen Meisterwerke zur unvergleichlichen Erschei- 
nung brachten, ist hier einem in seiner Wesenheit doch überwiegend for- 
malen Studium, einer 0b auch im höchsten Grade anerkennungswürdigen 
Virtuosität preisgegeben. Die schlicssliche Bedeutung des Werkes beruht 
doch minder in seinem Werthe an sich als in der Förderung, die es, auch 
bei der Aufnahme andrer Richtungen, der künstlerischen Praxis bringen 
musste.  Die späteren Werke des Meisters weichen auch von dieser 
einseitigen Befolgung des Gesetzes der Antike wiederum in etwas ab, 
zum Theil durch eigene leise Wandlung des Sinnes, zum Theil durch die 
bemerklich hervortretende Mitwirkung jüngerer Kräfte an der Arbeit ver- 
anlasst. Hieher gehört zunächst, wie es scheint, der Sarkophag des h. 
Dominicus in S. Domenico zu Bolognaf der mit Sculpturen, zumeist 
aus der Legende des Heiligen, reich ausgestattet ist. Vornehmlich die 
Seulpturen der Vorderseite, die Erweckung eines Jünglings vom Tode und 
die Verbrennung ketzerischer Bücher darstellend, gelten als Arbeiten sei- 
ner eigenen Hand; auch sie verläugnen nicht die antikisirende Richtung, 
aber sie haben zugleich das Verdienst naiver Lebensheobachtung und in- 
nigerer Empßndung. (Später sind dem Monumente noch zahlreiche andre 
Sculpturen zugefügt.)  Dann folgt die Kanzel des Domes von Siena, 2 
deren Fertigung Nicola im Jahr 1266 übernahm und die er mit Hülfe 
seiner Gesellen Arnolfo und Lapo und seines Sohnes Giovanni ausführte. 
Sie hat eine ähnliche Anordnung wie die Kanzel von Pisa, Bei einem 
grösseren Reichthum von Darstellungen, bei einer minder geschlossenen 
und strengen Weise der Oomposition erscheinen die antiken Elemente 
hier, als ein Gegebenes, freier behandelt, und finden sich schon unmittel- 
bare Hinneigungen zu der Vortragweise des gothischen Styles, was we- 
sentlich der Thätigkeit seiner Gehülfen zuzuschreiben ist. Die eigne Hand 
des Meisters erkennt man besonders in der Arbeit der allegorischen Ge- 
stalten.  Im J. 1278 wird noch der Thätigkeit Nicola's an der Aus- 
führung des Brunnens auf dem Domplatze zu Perugia gedacht; ob und 
was von dessen Sculpturen ihm angehört, erhellt jedoch nicht. " 
Das Eigenthümliche in der künstlerischen Richtung des Nicola Pi- 
sano konnte nur eine sehr bedingte Nachfolge finden; die veränderte Zeit- 
stimmung bedingte, in Italien wie in den andern Landen des Occidents, 
eine wesentlich abweichende Auffassung und Behandlung, und sein eigner 
Sohn Giovanni trat an die Spitze derartiger Bestrebungen der italienischen 
Sculptur. Nur eine geringe Zahl von Bildwerken in der Sammlung des 
Campo Santo zu Pisa, zumeist Arbeiten voll Würde und Adel, rührt, 
wenn nicht ebenfalls von dem Meister selbst, so doch von nahe ver- 
wandter Hand her. Und nur die Sculpturen der Kanzel von S. Giovanni 
fuorcivitas zu Pistojal (um 1270) sind als das einzige umfassendere 
1 Cicognara, t. 8-11, 13. Dkägincourt, t. 32  Vergl. Gaye, im Kunst- 
blatt, 1839, Nro. 22. Denkmäler der Kunst, T. 48   2 Cicognara, t. 8, 14. 
Denkmäler der Kunst, T. 48   3 Nach Schulz I, 213 ist es Nicolxfs Schüler 
Arnolfo, der 1277 dorthin berufen wird.  4 Gicognara, t. 39. Denkmäler der 
Kunst, T. 61 
	        
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