Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Vierte Periode. 
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tung Anspruch machen. Sie bezeugen es, zumal im Hinblick auf die 
sächsischen Sculpturen, welcher Gegensätze die Zeit noch fähig war, 
welche tiefe Rohheit noch ohne Anstoss ertragen wurde. 
Von einiger Bedeutung ist die bildnerische Ausstattung des Portales" 
am Westbau von St. Stephan zu Wienl (oben, S. 517). Die Lünette- 
desselben enthält das Bild des thronenden Erlösers in der Glorie, die von 
zwei Engeln gehalten wird. Es sind die traditionellen Motive, aber mit 
dem Streben nach Leben, Anmuth, flüssiger Bewegung, wenn auch ohne 
Grösse des Styles; ein sehr bemerkenswerther Zug antikisirend naturali- 
stischer Auffassung, im Gegensatz gegen das Herkömmliche, zeigt sich 
darin, dass das Untergewand des Erlösers zurückgeschlagen ist und das 
linke Bein vom Knie an nackt erscheinen lässt. Andres an diesem Por- 
tale, eine Reihe kleiner Halbfiguren auf dem Kämpfergesims, ist wiederum 
roh, während bei den symbolisch phantastischen Gestalten unter den De- 
korationen des Kämpfergesimses, namentlich den dämonischen, die Züge 
eines kühnen und lebendig durchgebildeten Humors ersichtlich werden. 
(Zwei sitzende Figuren am vorderen Spitzbogen des Portals, schon von 
gothisirender Art, gehören der mit diesem Bogen bezeichneten jüngeren 
Herstellung an.)  Ein ehernes Taufbecken im Dome von Salzburg 2 
wird auf vier Löwen getragen, welche, in streng archaistischem Style, 
noch dem 12. Jahrhundert anzugehören scheinen. Das "Becken selbst ist 
erheblich jünger; es ist von phantastisch romanischen Arkaden umgeben, 
in denen die kurzen und schweren Reliefgestalten von Heiligen befindlich 
sind. Die Typen der letzteren wie die Charaktere der Inschriften deuten 
schon auf die späte Zeit zu Anfang des 14. Jahrhunderts. 
Unter den ungarischen Bauten, welche dem Styl der spätromani- 
sehen von Oesterreich folgen, ist die Kirche von St. Jäk mit reicher 
Sculptur-Ausstattung versehen. 3 Zum grössern Theil zeigen auch diese 
Arbeiten, namentlich die Statuen Christi und der Apostel in der Nischen- 
krönung des Hauptportales (soweit sie in ihrer ursprünglichen Beschaffen- 
heit erhalten), eine schwerfällige Behandlung. Einzelne symbolisirend 
dekorative Stücke entfalten jedoch einen eigenthümlich phantastischen Reiz. 
Ein merkwürdiges Werk deutscher Goldschmiedeknnst ist die 
goldene Altartafel des Domes von Basel, gegenwärtig im Museum des 
Hötel de Cluny zu Paris, das ehemalige Antependium des Hochaltars, 
über 3 Fuss 9 Zoll hoch, 5 Fuss 5 Zoll breit. In Arkadennischen und 
von reichen Ornamenten umgeben, enthält sie die Reliefgestalten Christi, 
dreier Erzengel, des h. Benedict. Der Styl der Architekturformen und 
der Ornamente ist entschieden der der romanischen Schlussepoche; ebenso 
 
1 Melly, das Westportal des Domes zu Wien.  2 Mittelalterl. Kunstdenk- 
male des österreichischen Kaiserstaates, T. 27. D. Quaglio, Denkmale der Bau- 
kunst des Mittelalters im Königreich Baiern.  3 Mittelalter]. Kunstdenkmale des 
österr. Kaiserstaates, S. 86, T. 11.
	        
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