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Die Kunst des romanischen Styles-
ein künstlerisches Gefühl von lebhafter Innigkeit und zarter Würde aus-
spricht. Endlich eine Reihe von Engelgestalten in der Kirche zu
Hecklingen aus der Epoche des Emporen-Einbaues (S. 508),1 welche
die Bogenzwickel der Schiffarkaden in gediegen dekorativer WVeise, zu-
gleich an sich durch grosse Fassung und Bewegung beachtenswerth aus-
füllen.
Für Statuen, welche freistehend im Innern des kirchlichen Raumes
aufgerichtet wurden, wandte man häufig das Material des Holzes an.
Als derartige Arbeiten sind einige kolossale Gruppen des gekreuzigten
Erlösers mit Maria und Johannes zu seinen Seiten zu erwähnen; die eine,
von strenger und herber Behandlung, im Dome zu Halb erstadt, die
andere, früher im Dom zu Freiberg 2 im Erzgebirge, gegenwärtig in
der Sammlung des sächsischen Alterthums-Vereins zu Dresden. Die
letztere in der Anordnung der Gestalten ebenfalls von schlichter Strenge,
aber von ebenso erhabener Würde, mit Verständniss der Form und dem
Ausdrucke innerlicher Empfindung. Ein drittes, belebteres Werk der Art
ist im Folgenden zu erwähnen.
An Steinsculpturen sind zunächst einige minder erhebliche Ar-
beiten zu nennen: der Grabstein der Aebtissin Agnes (gest. 1203) in der
Schlosskirche zu Quedlinburg, 3 im einfach traditionellen Typus, doch
nicht ohne Würde; und die ziemlich schwerfälligen Figuren von
sechs Heiligen im Dome zu Magdeburg, 4 an den Pfeilern des Chor-
Innern.
Sodann eine Reihe andrer Werke von höchster Bedeutung, welche,
sich in der Kirche zu Wechselburg und an der goldnen Pforte des
Domes zu Freiberg beündenf (vergl. oben, S. 507). Diese rühren,
wenn nicht von der Hand eines und desselben Meisters, so doch aus ge-
meinsamer Schule her und bekunden eine klar vorschreitende, ihres künst-
lerischen Zieles bewusste Entwickelung. Auch bei ihnen liegen die alt-
überlieferten Darstellungs-Motive, mit den aus frühchristlicher Zeit über-
tragenen Reminiscenzen, zu Grunde; aber ein neuer Lebenshauch athmet
in diesen Gebilden, zu selbständig freier Fassung und Durchbildung füh-
rend; das klassische Grundelement entfaltet sich aufs Neue zu hoher und
geläuterter Schönheit, und zugleich giebt ihnen eine Milde des Sinnes,
von tiefer, persönlicher Innigkeit des Gefühles getragen, einen Reiz, wel-
cher der Kunst des klassischen Alterthums doch fremd ist. -Die frühsten
dieser Arbeiten sind die Reliefs an der Kanzel zu Wechselburg. Sie
bilden ein Ganzes von sinnvollem Zusammenhange: der thronende Er-
löser in der Mitte, von den Symbolen der Evangelisten umgeben; zu seinen
Seiten Maria und Johannes, die Fürbitter am Tage des Gerichts; dann
die Opferung Isaak's und das Wunder der ehernen Schlange, sinnbild-
liche Darstellungen des Opfertodes Christi und der Erlösung; unter dem
1 Puttrich, Denkm. der Baukunst in Sachsen, I, I, Ser. Anhalt, T. 29, if.
2 E. Förster, Denkmale, I. 3 F. Kugler, K1. Schriften, I, S. 554. 4 Ebenda,
S. 123. 5 Puttrich, a. a. 0., I, I, Ser. Wechselburg und Freiberg. Förster,
a. a. 0., I, II. Sehorn, in der Deutschen Vierteljahrsschrift, 1841, Heft 4, S. 126.
Waagen, Kunstwerke und Künstler in Deutschland, I, S. 7. Denkm. der Kunst,
T. 47 (1, 2, 44a).