Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Styles. 
Die Kunst des romanischen 
Bildende 
KunsL 
Die bildende Kunst erfreut sich in der romanischen Schlussepoche, 
wie im Obigen angedeutet, einer reichlichen Pflege. Das Bedürfniss ge- 
haltreicher und lebenvoller Darstellung tritt in ausgedehntem Maasse 
hervor; das herbe architektonische Gesetz wird wiederum durchbrochen; 
eine individuell freiere Bildung, eine geläuterte Norm der Darstellung im 
Sinne und nach dem Muster der klassischen Kunst wird auf's Neue er- 
strebt. Einzelne Erfolge sind wunderwürdig, wie in der Tiefe und Innig- 
keit des Gedankens, so in dem Leben, der Fülle, der Hoheit der Er- 
scheinung. Aber es ist schon bemerkt, dass gleichzeitig auch das aben- 
teuerlich Ungefüge, das barbaristisch Rohe zur ebenso unbehinderten Ent- 
faltung kommt. Ein festes, gemeinsam bewusstes Schaffen wird nicht 
erreicht, und selbst die grossen Leistungen dieser Epoche gehen noch 
wie glänzende Traumgebilde vorüber. 
Sculptun 
Deutschland. 
 In der deutschen Sculptur erscheint die sächsische Schule vorzüg- 
lich bedeutend. Ihre Leistungen sind mannigfaltig und lassen eine stu- 
fenmässig vorschreitende Ausbildung bis zu demjenigen Grade von Voll- 
endung, Welcher dieser Zeit überhaupt vergönnt war, erkennen. 
Zunächst wiederum ein Werk des Erzgusses: das Taufbecken .im 
Dome zu Hildesheim, 1 auf den Figuren der Paradiesesströme ruhend, 
auf seinen Wandungen und an dem Deckel reich mit biblischen und sym- 
bolischen Darstellungen versehen, im Ganzen 6Fuss hoch. Die Architek- 
turen, welche die einzelnen Darstellungen nischenartig umrahmen, zur 
treiflich dekorativen Wirkung des Ganzen, haben den ausgesprochenen 
Charakter der romanischen Spätzeit; im Figürlichen ist die Andeutung 
dramatischen Lebens und bewegten Flusses, aber die Fassung und Be- 
handlung der Gestalten noch mit einer starken Reminiscenz des barba- 
ristischen Styles der Hildesheimer Bronzen aus der Frühzeit des elften 
Jahrhunderts, (oben, S. 396 u.  
Dann ist eine Reihe von Stucco-Reliefs anzuführen. Das bild- 
same, langsam erhärtende Material scheint sich der noch minder sicheren 
künstlerischen Hand in ähnlichem Sinne empfohlen zu haben, wie der 
Thon für das Erzguss-Modell; die vorhandenen Werke (wie schon jene 
älteren in Wester-Gröningen, S. 476) bezeugen es, dass man sich dessel- 
ben gern zur Ausstattung architektonischer Prachtstücke bediente. Dahin 
gehören die Chorbrüstungswände in der Liebfrauenkirche zu Halber- 
stadt, 2 die an ihren äussern (den Querschiflfiiügeln zugewandten) Seiten 
in solcher Weise geschmückt sind, mit reich dekorirten rundbogigen 
' Kratz, der Dom zu Hildesheim, T. 12.  2 F. Kugler, K1. Schriften, 
137, f. Lucanus, die Liebfrauenkirche zu Halberstadt, (Titelblatt).
	        
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