Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Vierte Periode. 
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Auffassung und ihrem erneuten Zurückgehen auf das Gesetz der Con- 
struction entspricht es denn auch, dass das gothische System sieh in der 
Epoche seiner ersten Entwickelung mehr und mehr der überkommenen 
dekorativen Elemente entäussert, mehr und mehr eine streng primitive 
Grundlage herausbildet, bis sodann ein selbständiges dekoratives Princip 
bei ihm zur Entfaltung kommt. In den Landen, in denen der spätroma- 
nische Baustyl seine Blüthe feierte, war man sich, wie es scheint, des 
Gegensatzes gegen die frühgothische (französische) Bauweise Wohl be- 
wusst; aber es konnte nicht fehlen, dass mancheeElemente von dieser, 
sei es in der Gesammtfassung, sei es für die Einzelbehandlnng, Eingang 
fanden, freilich nur, um das bunte Getriebe der spätromanischen Kunst 
noch mehr zu vermannigfaltigen. Es bilden sich dadurch Uebergangs- 
momente vom romanischen zum gothischen Style, die indess zumeist, we- 
nige Ausnahmen abgerechnet, nur äusserliche und scheinbare sind. In 
überwiegendem Maasse wird der gothische Baustyl, abgesehen von den 
Districten seines Ursprnnges, plötzlich und unvermittelt eingeführt, den 
Betrieb des romanischen Styles eben so plötzlich abbrechend. 
G11. 
111 
21.11 
Deutschland ist überaus reich an baulichen Monumenten der spätro- 
manischen Epoche. Die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der letz- 
teren, ihre Vorzüge und ihre Mängel entwickeln sich hier an einer Fülle 
von Beispielen. 
Zunächst die niederrheinischen Lande, wo nach den verderbli- 
chen Kriegen zwischen den beiden Gegenkönigen Philipp und Otto um 
den Schluss des 12. Jahrhunderts, eine sehr umfassende bauliche Thätig- 
keit erwachte. In der Richtung der letzteren treten einige bemerkens- 
werthe Unterschiede hervor; zum Theil wird vorwiegend -auf eine reich 
gegliederte Gesammtanlage mit kunstreicher Entwickelung des Wölbe- 
Systems, auf überraschende Wirkungen des Innen- und Aussenbailes hin- 
gestrebt, während der Durchbildung des Details eine geringere Sorge zu- 
gewandt ist; zum Theil ist die Anlage im Ganzen schlichter, dagegen 
das Detail mit grosser Freiheit, oft mit sehr edlem Geschmacke behan- 
delt. Dabei treten den herkömmlichen Grundformen der Anlage andre, 
von freierer, ebenfalls verschiedenartig geordneter Composition, gegenüber. 
Besonders ist das Gebiet von Köln nebst den angrenzenden Distric- 
ten durch eine grosse Zahl derartiger Monumente ausgezeichnet. Zu 
denen der erstbezeichneten Richtung gehören die Apostelkirchel (1200 
durch Vogelo neu begonnen und 1219 durch Albero vollendet) 2 und 
Gross-St. Martin zu Köln, die mit Beibehaltung ihrer alten Schiff-Arka- 
den (oben, S. 369 und 414) in umfassender Weise erneut Wurden, mit 
einem Chorplan, welcher dem der Kapitolskirche ähnlich, doch Statt des 
Umganges mit Wandnischen und YVandarkaden versehen und im Aeussern 
1 Denkmäler 
blatt 1858. 
der 
Kunst, 
45 
2 Vcrgl. 
Eckertz 
im 
Kunst-
	        
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