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Vorstufen künstlerischer Gestaltung.
namentlich auch das Excenüische in der schmückendcn Zuthat. Doch ist
die letztere öfters mit noch wunderlicherem Eigensinn behandelt: auch sind
Körperbildung und Bewegung der Gestalten von jenen Wesentlich verschie-
den. Sie sind ziemlich durchgehend lang und schlank, mit Gefühl für die
Gesetze der Form und mit einer gewissen Zartheit der Umrisslinie gebil-
det. Die Bewegung, namentlich die der sitzenden Gestalten, hat nicht
selten etwas eigenthümlieh Weiches, in andern Fällen aber auch eine
bizarr gemessene Gravität. Sehr auffällig ist das Profil des Gesichtes,
mit äusserst stark gebogener Nase, zurücktretender Stirn und hängender
Unterlippe. Der Gesammteindruck dieser Arbeiten auf ein naives Auge
kann nur als skurril bezeichnet werden. Einliüsse dieser Kunstrichtung
finden sich übrigens auch ausserhalb Ohiapa. Man hat Werke verwandten
Styles in Oaxaca und in Yucatan gefunden.
Die auf den Inseln des Nicaragua-Sees vorgefundenen Steinbild-
werke 1 tragen wiederum ein ziemlich barbarisches Gepräge. Es sind
affenartige und sonst fratzenhafte Idole, in kauernder Stellung, zumeist
auf säulen- oder pfeilerartigen Untersätzen.
Verhältnfss
zum
östlichen
Asien.
Die neuere Wissenschaft hat sich bemüht, die altamerikanische Cul-
tur, und besonders die mexicanische, nachdem man den früheren Hypo-
thesen, welche die Oultur westasiatischer und gar europäischer Küsten-
länder als ihre Quelle erweisen wollten, entsagt, von den Culturvölkern
des östlichen Asiens herzuleiten. Das Ergebniss der kunsthistorischen Be-
trachtung steht hiemit in Widerspruch. Am Entscheidensten sind die Prin-
cipien, auf denen die Gestaltung der architektonischen Denkmäler beruht;
die amerikanischen Bauten tragen ein durchaus primitives Gepräge, be-
zeichnen auf's Entschiedenste, trotz all des überreichen Schmuckes, mit
welchem sie versehen sind, eine Entwickelungsstufe, die sich noch erst
der einfachsten Bildungsgcsetze bewusst werden. Dasselbe ist im Allge-
meinen mit der dortigen Bildnerei der Fall. Die Kunst des östlichen
Asiens beruht dagegen auf einer ungleich mehr ausgebildeten Stufe, Welche
sie auch da nicht verläugnet, wo sie verzerrt und barbarisirt erscheint;
und Aehnliches würde unbedingt bei ihrem weiteren Uebertragen voraus-
gesetzt werden müssen.
Wenn hiemit die selbständige Eigenthümlichkeit der alten amerika-
nischen Kunst im Ganzen und Wesentlichen gewahrt wird, so soll gleich-
wohl die Möglichkeit nicht geläugnet werden, dass sporadische Einflüsse
von Asien her stattgefunden, dass sie auch in den künstlerischen Erschei-
nungen einzelne Einwirkungen nachgelassen haben. Einzelnes in dem
vorstehend Besprochenen kann in der That auf derartigen Einiiüssen
beruhen. Dahin mögen jene Rundbautexi mit einer eylindrischen Masse
imInneren gehören, deren Reste sich in Yucatan, zu Mayapan, Chichen
Squier, 9h