Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Dritte Periode. 
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In der Behandlung der baulichen Einzeltheile gewinnen die ver- 
schiedenartigen Grundelemente eine vielfach reichere Ausbildung. Das 
antikisirende Element findet, in Districten der südlicheren Lande, eine 
starke und kräftige Belebung, zu Bildungen und zu Combinationen bau- 
licher Theile führend, die sich dem Grlanze spät römischer Architektur 
oft in auffälliger iWeise annähern. Die nordische Schnitzmanier prägt 
sich in demselben Maasse reichlicher und charaktervoller aus, in den Ge- 
simsen durch mancherlei gebrochenes und versetztes Stabwerk, durch 
kräftige Consolen, welche häufig als dessen Träger angewandt werden, 
von lebhaft malerischer Wirkung. Wo antike Reminiscenz und nordische 
Gefühlsweise gegeneinander wirken, findet nunmehr  als sehr charak- 
teristisches Kennzeichen des 11. Jahrhunderts  eine innigere Durch- 
dringung statt. Die Deckgesimse der Pfeiler z. B. haben insgemein nicht 
mehr die einseitig abschliessende römische Kranzleistenbildung (im Karnies- 
proiil), sondern  in einer lebhafteren Empfindung für ihren ästhetischen 
Zweck, für ihren Wechselbezug zwischen Stütze und Last  eine cha- 
rakteristische Kehlengliederung, oft nach dem mehr oder weniger frei 
behandelten Motive der (umgekehrten) attischen Säulenbasis. Die Basis 
selbst empfängt auf den Ecken ihres unteren Pfühls einen Vorsprung, 
zumeist in der Form eines Blattes, welcher sie dem Untersatze inniger 
verbindet. Die Kapitäle füllen sich, neben der schärfer ausgeprägten und 
umgrenzten Form des unten abgerundeten Würfels, neben der distrikt- 
weise vorkommenden Vervielfachung oder Theilung dieser Form, mit ver- 
schiedenartigem Schmuck; das an ihren Flächen ausgemeisselte Blattwerk 
hat zumeist jene schematisch conventionelle Form. Manches eigenthüm- 
lich Barocke und Phantastische findet sich in den Landen des -alten Kel- 
tenthumes und da, wo keltische Nationalität der übrigen zugemischt er- 
scheint; Byzantinisches und Arabisches in andern Einzelfällen. Für die 
Ausstattung und wirkungsvollere Hervorhebung des architektonischen 
Details durch farbige Zuthat fehlt es nicht ganz an Zeugnissen. 
Figürlicher Darstellung werden an dem Werke der Architektur, wie 
schon bemerkt, bestimmte und ausgezeichnete Plätze angewiesen. Be- 
merkenswerth ist es vornehmlich, dass die Portallünette, das Halbkreis- 
feld im Einschluss der Wölbung des Portales, welches von dem Thür- 
sturz getragen wird, gern eine bildnerische Ausstattung empfängt, in ein- 
facher Dekoration symbolischen Inhaltes, in mehr oder weniger reich ent- 
wickeltem Bildwerk, ein beredtes Zeichen der Bedeutung des Gebäudes 
für denjenigen, der sein Inneres zu betreten im Begriff ist, In ansehn- 
liehen Distrikten wird besonders auch, wie in einzelnen Fällen schon 
früher, das Säulenkapitäl zur Aufnahme bildlicher Darstellung benutzt, 
gleichfalls zur reicheren und inhaltsvolleren Wirkung, doch in demselben 
Maasse allerdings zur Verdunkelung der architektonischen Kraft,. welche 
in dem Kapitäl einen Ausdruck bekommen soll. Andres Bildwerk an 
andern Einzelstellen. 
Endlich erscheint mancherlei neues System für die Zwecke kirchli- 
cher Anlagen neben dem des Basilikenbaues und neben den aus letzterem 
hervorgegangenen Hauptformen. Der Centralbau giebt zu verschieden- 
artigen Anlagen Anlass; zweigeschossige Kapellen, durch Oelfnung des
	        
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