Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Zweite Periode. 
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auch jetzt noch mit verwilderten Nachklängen der Geschmacksrichtung 
der karolingischen Zeit.  Die englischen Arbeiten, ebenfalls nicht, 
zahlreich, haben einiges Eigenthümliche. 1 Es sind in der Regel leichte 
skizzenhafte Umrisszeichnungen, mit wenig Andeutung von Farbe, in einer 
hastig geknitterten Manier hingeworfen, aber oft durch belebte Anschau- 
ung, durch kühne Motive, durch poetisch phantastische Darstellung von 
Bedeutung. Namentlich eine Bibelhandschrift und zwei Psalter im brit- 
tischen Museum zu London kommen für diese Darstellungsweise in Be- 
tracht. 2 Sie haben, gleich den übrigen, angelsächsische Texte, und so 
ergiebt sich dieser lebhaftere Schwung bei mangelhaften Darstellungs- 
mitteln als ein anderer Ausdruck derselben künstlerischen Richtung, die 
schon in der englisch-sächsischen Architektur zur Erscheinung gekommen 
war.  Die geringe Zahl italienischer Miniaturen erscheint durch- 
gängig ohne Haltung und Geist, gelegentlich mit dem Anhauch byzan- 
tinischen Elementes, doch auch dadurch nicht gefördert. Die Bilder eines 
Lobgedichtes auf die Gräfin Mathildis in der vatikanischen Bibliothek zu 
Rom, 3 schon vom Anfange des zwölften Jahrhunderts, sind neben andern 
als bezeichnendes Beispiel anzuführen. 
Dekorative 
Kunsh 
An Werken dekorativer Kunst ist aus der Epoche des elften Jahr- 
hunderts, und vorzugsweise wiederum in Deutschland, manches Nam- 
hafte erhalten. Neben den glänzenden Schmuckformen, welche das kirch- 
liche Prachtgeräth in einzelnen Fällen annimmt, wird besonders auf eine 
Bekleidung desselben mit allerlei kostbaren und dem Auge wohlgefälligen 
Gegenständen Rücksicht genommen. Zierliches Filigran bedeckt die Gold- 
platten; dazwischen reihen sich Perlen und Edelsteine, zuweilen in kunst- 
reichster Fassung ein. Antiken geschnittenen Steinen wird, unbekümmert 
um ihren bildlichen Gehalt, gern eine hervorstechende Stelle eingeräumt; 
byzantinische Emailplättchen, zumeist buntes Ornament oder auch figür- 
liche Darstellungen enthaltend,  in edelsteinartigen Farben, welche 
zwischen Gol-dfäden der Fläche aufgeschmolzen sind, bilden eine zu sol- 
chem Behuf vorzüglich gesuchte Waare. Das lebhafte Gefallen an diesen 
Gegenständen des Emails. führt im Laufe des Jahrhunderts auch zur 
selbständigen Aneignung dieser schwierigen Technik. 
Hildesheimt besitzt merkwürdige Stücke der Art, zum Theil aus 
dem Anfange des Jahrhunderts, der Zeit Bischof Bernward's angehörig". 
Als solche sind zu nennen: in der Magdalenenkirche ein von Bernward 
selbst gefertigtes Goldkreuz mit reichem Schmuck von Steinen und ein 
Paar phantastisch dekorative Leuchter, aus einer Mischung von Gold 
und Silber bestehend, von einem Lehrling des Bischofs gearbeitet; 1m 
Dom ein silbernes Cruciiix mit der trocken starren Figur des Gekreu- 
1 Einige Abbildungen bei Dibdin, Biblioth. Decameron, I, p. LXXV.  
2 Schnaase, Gesch. d. bild. Künste, IV, II, S. 483. Waagen, Treasures of art, 
I, p. 141.  3 Dhägincourt, Malerei, T. 66.  4 Kratz, der Dom zu Hildesheim.
	        
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