Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Die Kunst des romanischen Styles. 
imerschütterlich festen Trägern erforderten. Nicht selten wechseln Pfeiler 
und Säulen, in verschiedenartiger Weise, je zwei Säulen oder je eine 
zwischen zwei Pfeilern, den Eindruck des sichern Beharrens (in der Pfei- 
lerform) und der leichteren Kraft (in der Säule) harmonisch verbindend, 
die Folge der Stützen rhythmisch ordnend und den Raum selbst, indem 
der Pfeilerabstand insgemein der Breite des Mittelschiffes entspricht, in 
gleicher Weise gliedernd. In besonderen Fällen lehnen sich den Pfeilern 
auch Halbsäulen an. Die Decken bestehen zumeist, dem Princip des Ba- 
silikenbaues gemäss, aus flachem Holztäfelwerk. Aber die Kunst des Wöl- 
bens, die sich gleichzeitig, wie in den Halbkuppeln der Absiden, so in den 
Kreuzwölbungen der Krypten bethätigt, findet mehrfach auch eine weitere 
Anwendung, theils in untergeordneten Stücken des Aufbaues und, wie es 
scheint, zu einer Festigung der complicirten Gesammtanlage, theils für 
Hauptstücke und selbst für das Ganze. In den nordischen Landen gehört 
eine umfassendere Durchführung des Wölbesystems zu den Ausnahmen; 
im Süden dagegen, besonders im südlichen Frankreich, erscheint der Sinn 
demselben schon frühe zugeneigt und die Gesammtanlage hievon wesent- 
lich bedingt.  
Neben dem Basilikensystem finden sich imEinzelnen auch andre bau- 
liche Anlagen. Die Vorbilder byzantinisirenden Kuppelbaues sind, selbst 
im Norden, wo das Beispiel des Münsters von Aachen vorlag, noch un- 
vergessen. Kleinere Kapellen zeigen sich in verschiedenartiger Anlage 
und Construction. Einige wenige Reste des elften Jahrhunderts sind als 
Zeugnisse für die Gestaltung äusserer Lebenszwecke, im klösterlichen und 
im bürgerlichen Dasein, erhalten. 
Die Behandlung des baulichen Werkes und seiner Einzeltheile hat 
überwiegend einen strengen, festen, scharf gemessenen Charakter. Der 
antiken Reminiscenz, welche mit den Werken der früheren Jahrhunderte 
überkommen war, steht ein selbständig nationeller Formensinn, nament- 
lieh wo nordisches Volksthum herrscht oder vorwiegt, schon in eigenthüm- 
licher Kraft gegenüber. Doch ist zunächst noch das antikisirende Element, 
für die Fassung des Ganzen und für vieles Einzelne, von hervorstechen- 
der Bedeutung, in einer Weise neu belebt, dass die Monumente des elften 
Jahrhunderts in der That vielfach an das Wesen und die Erscheinung 
des alten Römerthums gemahnen. Dem Gewichte der Massen entspricht 
der volle imgegliederte Halbkreisbogen, in den Arkaden und Wölbungen 
des Innern, in den Oeifnungen der Fenster und Portale. Die letzteren 
gehen in der Regel abgestuft in die Mauertiefe hinein, auch in solcher 
Erscheinung die Massenfülle wahrend; eine belebtere Gliederung, durch 
Säulen in den Ecken der abgestuften Gewände, findet sich, wie es scheint, 
erst in der Spätzeit des elften Jahrhunderts. Die Mauern sind, im Innern 
und noch mehr im Aeussern, mehrfach mit flachen Wandnischen zwischen 
breiten Vorsprüngen oder Pilastern versehen, welche die Gesammtlläche 
gliedern, die Einzeltheile umschliessen und mit ihrer Bogenwölbung eben- 
falls die grossen und strengen Linien der römischen Architektur zur er- 
neuten Erscheinung bringen. In den architektonischen Gliedern, den krö- 
nenden Karniesprofllen, den attischen Säulenbasen u. dergL, spricht sich 
oft (allerdings neben Beispielen eines stumpfercn Sinnes) eine völlig
	        
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