Sohlusspeüode der indischen Kunst.
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Architektur.
Der Süden des Dekan besitzt eine Anzahl von, zum Theil überaus
prächtigen und umfassenden Pagodenbauten, 1 welche Wesentligh dieser
letzten Periode anzugehören scheinen, die zu Chalembrom (Chalem-
baram), Kandjeveram, Tandjore, Madura u. s. w. Sie zeichnen sich eben-
so durch ihre pyramidalischen Tempel- und Thorbauten aus, in deren
gehäuften, bunt ausgestatteten Geschossen die abenteuerlichste Phantasie
sich förmlich erschöpft, wie durch ihre, zuweilen fast unermesslichen
Säulenhallen, deren Formen, wie es scheint, nicht minder barock gebildet
sind. Der mächtige Saal eines Tschultri (Hospizes) zu Madura, dessen
Steindecke von sculptirten Riesenpfeilern getragen wird, giebt von der
Ueberladung und dem Wirrniss künstlerischer Formen, welche schon der
Wucherfülle eines tropischen Urwaldes gleichen, ein vorzüglich charakte-
ristisches Beispiel. Der Bau desselben wurde im J. 1623 begonnen.
Daneben bildet sich eßi architektonisches Schulgesetz aus, welches
die Ueberfülle wieder in die trockne Strenge der Regel zurückzuführen
sucht. Dasselbe liegt in geheiligten Schriften, den "Silpa Sastra," der.
„Kunst- oder Handwerkslehre," vor. Durch einen Eingebornen des süd-
lichen Landes, Ram Raz, ist hienach und nach den Monumenten in
neuerer Zeit ein System der hinduisehen Baukunst aufgestellt worden. 2
Zu bemerken ist bei dem letzteren u. A. eine Weise des Säulenbaues,
die in den Hauptmotiven wiederum auf die Elemente der Holzbautechnik
zurückführt, und in den Detailbildungen ein abermaliges (erneutes oder
ursprüngliches) Hineinklingen antikisirenden Gefühles.
Bildende
Kunst.
Die Seulpturen aus den späteren Zeiten der indischen Kunst
tragen zum grössten Theil das Gepräge lebloser Nachahmung. Mit ihrer
inneren Starrheit steht die hergebrachte Weichheit in Formen und Be-
wegungen und die unverhüllte Monstrosität phantastischer Gestalten in
einem widerwärtigen Contrast. Die Unbefangenheit der volksthümlichen
Anschauimg erscheint in ihnen zur trocken schulmässigen Symbolik um-
gewandelt
Dagegen gewähren die Malereien dieser Spätepoche oft noch ein
eigenthiimliches Interesse. Beispiele der Art finden sich nicht selten in
den europäischen Kunstsammlungen und Bibliotheken; ein Buch mit
56 Bildern in der k. Bibliothek zu Berlin, welches schon im siebzehnten
Jahrhundert für dieselbe erworben wurde, ist besonders schätzbar. Es
sind Arbeiten von kleinerer Dimension, zumeist auf Piianzenpapier aus-
geführt. Vieles unter ihnen, namentlich wo Gegenstände der alten Mythe
i
1 Denkm. d. K., Taf. 10. 2 Räm Rxiz, Essay
Hindws. Denkm. d. K, Taf. 10, Fig. 8 u. 9.
Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. I.
the architekture of the
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