DIE
REICHE
DER
SASSANIDEN
UND
DER
INDO-SKYTHEN.
ani
den.
Allgemeines.
Wie in den Landen des Römerreiches die Kunst der christlichen
Frühzeit aus dem Erbe der alten Kunst sich herausbildete, so im Osten,
in den Landen der alten mittelasiatischen Oultur, die Kunst des neu--
persischen oder Sassaniden-Reiches. 1 Die Dauer des letzteren war von
226-641 nach Chr. G. Die sassanidische Kunst hat bei Weitem nicht
den Reichthum an Gestaltungen, wie die altchristliche, nicht die unmittel-
bar bedeutungsvollen Folgen der letzteren; aber auch sie bildet, für die
künstlerischen Erscheinungen des Orients, ein in mehrfacher Beziehung
charakteristisches Mittelglied, und sie ist nicht minder der lebendige Aus-
druck eines geschichtlichen Abschnittes, der in der ritterlichen Kühnheit
der Thaten, welche ihn erfüllen, in der romantischen Verschlingung seiner
Geschicke auch an sich hinlänglich Fesselndes besitzt.
Die Sassanidenherrschaft, aus dem Herzen des alten Perserlandes
hervorgegangen, rief die alten Traditionen des Stammes aufs Neue ins
Leben. Sie stellte den reinen religiösen Cultus der Vcrzeit wieder her;
sie liess es sich angelegen sein, die grossen Thaten ihrer Zeit in ähn-
lichem Sinne durch dauernde Denkmäler zu verherrlichen, wie es in den
alten Tagen Sitte gewesen war. Ein bewusstes Zurückgehen auf die
Weise der alten Denkmäler, oder doch ein-Anknüpfen an ihre Eigen-
thümlichkeit, ist in den künstlerischen Monumenten der Sassaniden un-
verkennbar; aber die Welt war inzwischen eine andre geworden, und so
musste auch die neue Form sich in andrer Weise herausbilden. Die rö-
mische Kunst bot eine zu breite Fülle von Technik, von Mitteln, von
geübter Handhabung des materiellen und des geistigen Stoifes dar, als
dass ihre Lehre und Hülfe bei den neupersischen Unternehmungen nicht
hätte herbeigezogen werden sollen; der neue Geist, welcher den Orient
erfüllte und tiefe geschichtliche Wandlungen vorbereitete, war zu lebhaft
von einem fast leidenschaftlich phantastischen Drange erfüllt, als dass
nicht auch sein Abdruck schon in den Monumenten hätte sichtbar werden
(Perse
travels
1 Vaux, Niniveh und lfersepolis. Coste et Flandin, voyage in Perse;
ancienne.) Texier, descriptxon de PArmänie, de 1a Perseetc. Ker Porter,
in Geqrgia, Persia etc.