Zweite Periode.
239
Für dekorative Zwecke wurde die bildnerische_ Thätigkeit, wie es
scheint, vielfach und in der Bearbeitung verschiedenartiger Stoffe an-
gewandt. Der Altarraurn der Sophienkirohe zu Oonstantinopel war
rings, den Glanz der inneren Ausstattung abermals erhöhend, mit Pracht-
metallen erfüllt. Silberne Wände mit silbernen Säulen trennten den Raum
von dem davor befindlichen Sängerchor; über den Säulen waren runde
Scheiben mit den Bildern Christi, der Maria, der Prophetenyder Apostel.
Ein hohes Tabernakel von Silber, mit zierlich dekorativer Arbeit versehen,
Stieg über dem Altar empor; der letztere war von Gold, mit eingelegten
Edelsteinen. Teppiche mit goldgestickten iigürlichen Darstellungen schlos-
Sen die Oeffnungen des Tabernakels und verhüllten das Mysterium des
Altars. 1 U. s. w. Als ein erhaltenes Prachtwcrk ist der mit Elfen-
beinreliefs belegte Stuhl des Erzbischofes Maximian in der Sakristei des
Domes von Ravenna, der Mitte des sechsten Jahrhunderts angehörig,
Zu nennen. 2 Seine Stücke rühren jedoch von verschiedenen Händen,
zum Theil noch aus den nächst vorangegangenen Jahrhunderten her; die
jüngsten haben im Figürlichen die schon bezeichnete leblos conventionelle
Manier, bei zierlicher Ausführung, und sehr sauber durchgeführtes Or-
nament.
Die entschieden überwiegende Thätigkeit in den Fächern der bilden-
den Kunst gehört wiederum der Mosaikmalerei an, mit deren Werken
die inneren Räume der kirchlichen Gebäude ausgestattet wurden. Sie
stand mit jenem Streben der byzantinischen Architektur nach reicher und
"machtvoller Wirkung im innigsten Wechselverhältniss und prägte ihren
Styl in entsprechender Richtung aus. Auch ihr ist eine Grösse des Sinnes,
mit welcher sie die überkommenen Weisen und Elemente der Darstellung
aufnimmt und für ihre Zwecke verwendet, nicht abzusprechen; sie er-
weitert den Kreis ihrer Gegenstände weit in das Gebiet des Persönlichen
hinaus, ihn irielscitigst auf die Schaaren der heiligen Bekenner der Kirche
Christi ausdehnend und hiedurch eine Menge ehrfurchtgebietendcr Ge-
stalten für die Darstellung gewinnend; sie sieht sich nicht minder ver-
anlasst, auch hohe Erscheinungen des Tages den letzteren anzureihen.
Aber ihr fehlt ebenso wie der A1'Cl1lt(5l{t1ll' das Lebensgefühl, und ihr
Streben, ihre Wirkungen gewinnen, wie bei dieser, einen mehr und mehr
äusserlichen Chagiakter, eine zum Phantastischen sich neigende Richtung.
Auch darin zeigt sie dasselbe Verhältniss wie die Architektur, dass ihre
Elemente theils überlieferte sind, auf den Motiven der klassischen Kunst
beruhend, aber mehr und mehr entartend und erstarrend, theils eigner.
Erfindung angehörig und im Gegenstande (im Kostüm) wie in der Be-
handlung mit einem auffällig barbarisirenden Gepräge. Zugleich macht
sich im Fortschritte der Zeit ein, zu den Bedingnissen primitiver Kunst-
stufen mehr und mehr zurückkehrender Schematismus geltend, welcher
1 Die nähere Schilderung in der Beschreibung der Sophienkirche von dem
Sxlentiarius Paulus, Uebersetzxlng von Kortüm, bei Salzenberg, altchristliche Bau-
gfnkmale von Constantixlopel, S. XVI, ff. 2 Denkmäler der Kunst, Taf. 3G
lg. 4.