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VIII.
Die altchristliche Kunst.
aber, wie J scheint, macht sich eine abweichende Technik geltend, die
des Mosaiks. Die ältesten uns bekannten Beispiele der inneren kirch-
lichen Dekoration zeigen uns die Wände und die Wölbungen (wo solche
angewandt waren) mit musivischen Gemälden bedeckt. Auch in dieser
Technik konnte die übliche Darstellungsweise zur Erscheinung kommen,
und die minder freie Behandlung, welche sie bedingte, durfte bei einer,
in formaler Beziehung untergeordneten Kunst nicht sonderlich in's Ge-
wicht fallen. Gleichwohl deutet schon die veränderte Technik auf eine
Veränderung auch in dem geistigen Streben. Das Mosaik ist stofflich
prächtiger, derber, zur grösseren monumentalen Dauer befähigt und be-
stimmt; es durfte der Kirche, nachdem diese die Herrscherstellung er-
rungen, zur Bekundung ihrer Machtfülle besser geeignet erscheinen, als
die leichte Pinselmalerei; der Ausdruck gemüthvoller Stimmung konnte
in seinen Darstellungen viel Weniger zur Erscheinung kommen, als der
strengere Ernst des Gedankens, die Andeutung eines majestätischen, ehr-
furchtgebieteriden Daseins.
Eigentlich und ihrem Ursprunge nach hat es die musivische Tech-
nik, wie auch im Alterthum vorherrschend, mit der Erfüllung rein deko-
rativer Aufgaben zu thun. In jener ältest christlichen Basilika des
Reparatus in Afrika, aus der Mitte des dritten Jahrhunderts, sind die
musivisch geschmückten Fussböden, mit Mustern völlig klassischen Styles,
denen sich christliche Symbole einreihen, erhalten. Die Wölbungen von
S. Costanza zu Rom, aus dem vierten Jahrhundert, haben reiche Mo-
saikdekorationen in einem, allerdings schon roh antikisirenden Geschmacke,
auf Wein und Weinlese bezüglich, (Dinge, die ebenfalls zu dem Kreise
altchristlicher Symbolik gehören). Mit dem fünften Jahrhundert finden
wir musivische Darstellungen eines voller bildlichen Charakters.
Eine Reihe von Beispielen gehört der ersten Hälfte des fünften Jahr-
hunderts an. Höchst bedeutend unter diesen sind die Mosaiken des
Baptisteriums S. Giovanni in Fonte zu Ravenna, mit der Taufe
Christi in der Mitte der Kuppel und dem feierlichen Reigen der Apostel
und mannigfachen Gegenständen symbolischer Bedeutung umher, ein
Werk von grossartig dekorativer G-esammtcomposition, der Andeutung
mächtigen Lebens in den Gestalten und einer noch immer an die klas-
sische Kunst bestimmt erinnernden Behandlungsweise in Form und Farbe.
Sodann der reiche Mosaikenschmuck in SS. Nazario e Oelso zu Ra-
venna, in dessen Einzeldarstellungen das alte symbolische Element sogar
noch ebenso entschieden überwiegt, wie das Ganze durch die Würde und
den feierlichen Rhythmus des dekorativen Elementes von Bedeutung ist.
Die Mosaiken an der Kuppel von St. Georg zu Thessalonica schei-
nen diesen ravennatischen Arbeiten in Geist und Behandlung nahe zu
entsprechen. Ebenso ist in Rom die Vorhalle des lateranischen Bap-
tisteriums S. Gio. in Fonte durch symbolisch-dekorative Mosaikausstat-
tung ausgezeichnet; während die in S. Maria maggiore 1 den ältesten
Versuch einer eigentlichen Geschichtsdarstellung enthält, mit Scenen des
alten Testamentes an den Oberwänden des Mittelschiffes und Scenen des
Denkm.
Kunst,
Taf.
Flg.
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