Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Erste Periode. 
225 
liehen) Christus als Lehrer in ihrer Mitte haben, andrerseits die (symbo- 
lisch zu fassende) Darstellung von Abrahams Opfer zwischen sich ein- 
schliessen. Alles hierin hat das spätrömische Gepräge, noch mit den 
Andeutungen von Lebenskraft und Würde, welche das Erbtheil einer 
grossen Vergangenheit waren, der Engel mit dem Opferboek (zur Seite 
Abrahancfs) noch ganz in der Weise antiker Victorien gestaltet. Die Ar- 
beit deutet jedenfalls auf die friihsten Versuche christlicher Kunstiibung, 
deren neues Wollen mit der überlieferten bedeutenden Form noch merk- 
würdig zusammenstimmt. 
Bei Weitem umfassender und in ungleich glänzenderer Weise bildete 
sich in der Kunst des christlichen Alterthums die Malerei aus. Es ist 
von vornherein, für das ganze Wesen der christlichen Kunst, bezeichnend, 
dass sie diesem Fache sich vorzugsweise zuwandte, in ihm, wo der Ge- 
danke und das Gemüth den so viel freieren Spielraum zu ihrer Bethä- 
tigung finden, die grossen Kreise ihrer Anschauungen entwickelte. 
Schon sehr zeitig wurde die Wandmalerei zur; künstlerischen Aus- 
stattung der heiligen Stätten zur Anwendung gebracht. Die Kapellen- 
räume der Katakomben" R0m's wurden im ausgedehntesten Maasse 
mit YVandgemälden geschmücktJ Als man die Katakomben gegen Ende 
des sechzehnten Jahrhunderts mit Eifer durchforschte und ihre Reliquien- 
schätze ausbeutete, wurden von ihren Darstellungen Abbildungen genom- 
men und diese in umfassenden Werken veröffentlicht; hierin liegt uns, 
wenn auch in geringer Beobachtung der stylistischen Eigenthürnlichkeiten, 
der reiche Inhalt dieser Oompositionen, mehr oder weniger im grossen 
Gesammtzusammenhange, vor. Später vernachlässigt und wenig zugäng- 
lich, sind diese Orte und die in ihnen erhaltenen Reste in jüngster Zeit 
abermals künstlerisch durchforscht und ist auch die YVeise der Darstel- 
lung und Behandlung in zahlreichen Beispielen unsrer Kunde näher ge- 
treten? Es ist eine Ausstattung der Räume, welche das Dekorations- 
princip der antiken Wandmalerei, wie in den Grabhallen der heidnischen 
Zeit und selbst an den Wänden Pompejrs, aufnimmt, eine wohlgeordnete 
Feldertheilung, ein Schmuck an Umrahmungen und Füllungen, der einen 
an heitere Würde gewöhnten Sinn bekundet. Darin vertheilen sich jene 
Figuren und Scenen christlich symbolisirenden Inhaltes. Die architekto- 
nischen Bedingnisse, Wände, Nischen und Gewölbe gaben die Gelegenheit 
zu einer oft reichhaltigen Gliederung des Gedankens; den Hauptdarstel- 
lungen konnten Scenen von mehr untergeordnetern Inhalte, auch Gestalten. 
des Lebens (im kirchlichen Bezuge, z. B. als Betende), auf angemessene 
Weise angereiht werden; in mannigfachen Wechselbezügen konnte sich 
ein bedeutungsvolles, Sinn und Gemüth in Anspruch nehmendes Ganze 
entwickeln. Es lassen sich in diesen Malereien verschiedene Stufen der 
1 Denkm. d. Kunst, Taf. 36 Fig. 9-12.  2 Unter den, in der Anmerkung 
S. "209 genannten Werken kommt hier vmjnehmlich das jüngste, von Perret (Ca- 
tacombes de Rome), in Betracht. 
Kugler. Handbuch der Kunstgeschichte. 10
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.