Erste Periode.
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liehen) Christus als Lehrer in ihrer Mitte haben, andrerseits die (symbo-
lisch zu fassende) Darstellung von Abrahams Opfer zwischen sich ein-
schliessen. Alles hierin hat das spätrömische Gepräge, noch mit den
Andeutungen von Lebenskraft und Würde, welche das Erbtheil einer
grossen Vergangenheit waren, der Engel mit dem Opferboek (zur Seite
Abrahancfs) noch ganz in der Weise antiker Victorien gestaltet. Die Ar-
beit deutet jedenfalls auf die friihsten Versuche christlicher Kunstiibung,
deren neues Wollen mit der überlieferten bedeutenden Form noch merk-
würdig zusammenstimmt.
Bei Weitem umfassender und in ungleich glänzenderer Weise bildete
sich in der Kunst des christlichen Alterthums die Malerei aus. Es ist
von vornherein, für das ganze Wesen der christlichen Kunst, bezeichnend,
dass sie diesem Fache sich vorzugsweise zuwandte, in ihm, wo der Ge-
danke und das Gemüth den so viel freieren Spielraum zu ihrer Bethä-
tigung finden, die grossen Kreise ihrer Anschauungen entwickelte.
Schon sehr zeitig wurde die Wandmalerei zur; künstlerischen Aus-
stattung der heiligen Stätten zur Anwendung gebracht. Die Kapellen-
räume der Katakomben" R0m's wurden im ausgedehntesten Maasse
mit YVandgemälden geschmücktJ Als man die Katakomben gegen Ende
des sechzehnten Jahrhunderts mit Eifer durchforschte und ihre Reliquien-
schätze ausbeutete, wurden von ihren Darstellungen Abbildungen genom-
men und diese in umfassenden Werken veröffentlicht; hierin liegt uns,
wenn auch in geringer Beobachtung der stylistischen Eigenthürnlichkeiten,
der reiche Inhalt dieser Oompositionen, mehr oder weniger im grossen
Gesammtzusammenhange, vor. Später vernachlässigt und wenig zugäng-
lich, sind diese Orte und die in ihnen erhaltenen Reste in jüngster Zeit
abermals künstlerisch durchforscht und ist auch die YVeise der Darstel-
lung und Behandlung in zahlreichen Beispielen unsrer Kunde näher ge-
treten? Es ist eine Ausstattung der Räume, welche das Dekorations-
princip der antiken Wandmalerei, wie in den Grabhallen der heidnischen
Zeit und selbst an den Wänden Pompejrs, aufnimmt, eine wohlgeordnete
Feldertheilung, ein Schmuck an Umrahmungen und Füllungen, der einen
an heitere Würde gewöhnten Sinn bekundet. Darin vertheilen sich jene
Figuren und Scenen christlich symbolisirenden Inhaltes. Die architekto-
nischen Bedingnisse, Wände, Nischen und Gewölbe gaben die Gelegenheit
zu einer oft reichhaltigen Gliederung des Gedankens; den Hauptdarstel-
lungen konnten Scenen von mehr untergeordnetern Inhalte, auch Gestalten.
des Lebens (im kirchlichen Bezuge, z. B. als Betende), auf angemessene
Weise angereiht werden; in mannigfachen Wechselbezügen konnte sich
ein bedeutungsvolles, Sinn und Gemüth in Anspruch nehmendes Ganze
entwickeln. Es lassen sich in diesen Malereien verschiedene Stufen der
1 Denkm. d. Kunst, Taf. 36 Fig. 9-12. 2 Unter den, in der Anmerkung
S. "209 genannten Werken kommt hier vmjnehmlich das jüngste, von Perret (Ca-
tacombes de Rome), in Betracht.
Kugler. Handbuch der Kunstgeschichte. 10