Erste Periode.
215
wonnenen breiteren Wa.nd- und Gewölbeilächen für die bildlichen Urkunden
des neuen Glaubens. Zur anderweitigen Ausstattung des Inneren gehörte
der Schmuck der Felderdecken mit prächtigem vergoldetem Täfelwerk, von
welchem die Beschreibungen schon des vierten Jahrhunderts mehrfach
sprechen (von welchem jedoch nichts auf unsre Zeit erhalten ist), und
ebenso der Marmorschmuck der Fussböden. Das Aeussere dagegen war
völlig schlicht gehalten und nur durch den Schmuck der Vorhalle oder
des Vorhofes ausgezeichnet.
Einrichtung und Ausstattung der Basiliken dieser Frühepochen er-
hellen im Uebrigen aus den Schilderungen, welche Paulinrls, Bischof von
Nola, von den kirchlichen Gebäuden hinterlassen hat, die durch ihn zu
Nola um den Anfang des fünften Jahrhunderts ausgeführt wurden.
So hatte sich im Laufe des vierten Jahrhunderts das Wesentliche in
Form und Behandlung der christlichen Basilika, für die Zwecke des öf-
fentlichen Cultus der Gemeinde, festgestellt. In Rom vornehmlich hielt
man an diesen Ergebnissen fest; man baute zwar fortan fast ohne Aus-
nahme nur dreisehifflge Basiliken (indem die Anlage fünfschifliger Gebäude
als eine Auszeichnung von Kirchen eines vorzügliehst hohen Ranges gelten
mochte); aber man unterliess nur in seltensten Fällen, nur unter eigen-
thümlichen Einwirkungen, die Anlage der Querhalle oder des Querschiifes
vor der Tribxma. Man wahrte hiemit vorzugsweise den Eindruck einfach
erhabener räumlicher Grösse, während man allerdings für eine selbstän-
dige Ausbildung der architektonischen Einzelformen nur im geringsten
Maasse sorgte und an der, oft sehr willkürlichen Verwendung von Ein-
zelheiten antiker Prachtmonumente für die neuen Zwecke, selbst mehrfach
wiederum der geraden Gebälke von solchen unter den lastenden Ober-
Wänden des Mittelschiifes, kein Bedenken trug. In Ravenna, der für
diese Epoche zweitwichtigsten Stadt Italiens, bekundete sich nicht derselbe
grosse Sinn für die allgemeine räumliche WVirkung des Gebäudes, indem
die Querhalle vermieden ward, daneben aber ein lebendigeres Gefühl für
das Einzelne, welches man mit einer gewissen naiven Selbständigkeit
nach dem antiken Muster behandelte, Dies namentlich bei der Formation
des Säulenkapitäles und der Anordnung eines stärkeren Aufsatzes über
demselben, zum angemessneren Unterlager für den Bogen. Im Orient,
besonders in Constantinop el, scheint man von der römisch christlichen
Entwickelung des Basilikenbaues am Wenigsten angenommen zu haben.
Man behielt hier namentlich die Gallerieen über den Seitenschiifen bei,
indem man es zweckmässig fand, diese den Weibern zum besondern
Aufenthalte anzuweisen; man strebte vorzugsweise nach glänzender Ent-
faltung des architektonischen Details, wobei man jene asiatischen Pracht-
werke der spätantiken Zeit zum Muster nahm, welche zu solchem Be-
hufe, aber in keiner Weise mehr zu einer innerlichen Belebung der
Formen, eine Anleitung geben konnten. Eine Wechselwirkung des künst-
lerischen Strebens zwischen Ravenna und Constantinopel scheint bereits
zeitig eingetreten zu sein. 1
1 In der Behandlung des Säulenkapitäles in der ravennatischen Architektur,
namentlich der Anordnung jenes Aufsatzes über demselben, dürfte wohl ein