Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Die hellenische 
Kunst. 
Unter dem grossen Schatze der erhaltenen Sculpturen des Alterthums, 
deren Zeit aus äusseren Gründen nicht näher zu bestimmen ist, dürfte 
eine nicht unbeträchtliche Zahl in diese Epoche fallen. Es sind solche, 
welche sich der Richtung der hellenisehen Kunst des vierten Jahrhunderts 
noch mit einem feineren Gefühle anschliessen, mit der sicheren Gewohn- 
heit freier Meisterschaft sieh auf dem überkommenen Gebiete bewegen, 
welche im Sinne des letzteren mit Verstand und Klarheit für edle deko- 
rative Zwecke geschaffen und von den Ergebnissen einer mehr geschärften 
Berechnung, von der Kälte einer mehr allgemein gehaltenen Stylistik, von 
der Befangenheit oder Oberiiächlichkeit einer Kopie noch fern sind. Als 
derartige Werke sind etwa zu nennen: der schlafende sog. barberinische 
Faun in der Glyptothek zu München, in prachtvoll entwickelter Körper- 
lichkeit; die Polyhymnia des Berliner Museums, mit einer Gewandung 
von kunstreiehster Durchbildung und feinster malerischer Wirkung; die, 
auch inMarmor "mehrfach wiederholte Bronzestatue eines Knaben, der sich 
einen Dorn aus dem Fusse zieht, im kapitolinischen Museum zu Rom; 
die Ariadne, der Nil, die badende Aphrodite, die geistvollen Portraitstatuen 
der KomödiendichterMenander und Poseidippos im Vatikan; u. a. m. 
Das Münzgepräge dieser Epoche lässt, zunächst noch im Anschluss 
an die vorzüglichst gediegenen Arbeiten des vierten Jahrhunderts, wieder- 
um eine fortschreitend verringerte künstlerische Sorgfalt erkennen.  
Hellas sind in diesem Betracht besonders die Münzen des achäischen 
Bundes maasgebend. Das hervorragend künstlerische Verdienst der siei- 
lischen Münzen bewährt sich mehrfach auch noch im dritten Jahrhundert 
durch eigenthümliche Anmuth. Es stehen ferner, wie die Münzen Alexan- 
ders d. Gr., so auch die seiner ersten Nachfolger in den verschiedenen 
Staaten seines Reiches zu Anfang des dritten Jahrhunderts den Leistungen 
des vorigen in Zeichnung und Ausführung noch ziemlich nah. Jetzt be- 
ginnt der Gebrauch, statt der Bilder der Götter die Köpfe der Fürsten 
auf den Vorderseiten der Münzen darzustellen, und auch diese werden 
vorerst noch auf mannigfach geistreiche Weise behandelt. Bald aber 
sinkt die Arbeit zum Handwerk herab; die edeln Typen der früheren 
Zeit erscheinen mehr oder weniger in trockner Nachahmung, die Bild- 
nissköpfe zumeist in nüchterner Auffassung. 
Der Luxus der geschnittenen Steine fand an den Höfen der 
Nachfolger Alexanders, besonders am Hofe der syrischen Könige, wo eine 
mehr orientalische Pracht beliebt war, vielfache Pflege. Hier wurden die 
Gemmen gern zu Sehmuckgeräthen verwandt, namentlich Prachtgefässe 
aufs Reichste mit ihnen besetzt. Da hiebei der ursprüngliche Zweck des 
Siegelns wegfiel, so schnitt man die Arbeiten nunmehr häufig erhaben, 
aus Steinen (Onyxen) von verschiedenfarbigen Schichten, der Art, dass 
sich die Darstellung hell auf dunklem Grunde erhob. Diese ßameent 
wurden zuweilen in sehr bemerkenswerther Grrösse gearbeitet. Unter den 
erhaltenen gehören die wichtigsten den ägyptischen Fürsten an. Der schönste 
und grösste von allen ist der sog. Cameo Qonzaga, in der kaiserl. Samm- 
lung von Petersburg, mit den Köpfen eines Fürstenpaares, wahrscheinlich
	        
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