Mal
erei.
Die hellenische Malerei entfaltet sich in der Epoche des vierten Jahr-
hunderts zur selbständigen Bliithe. Im Gegensatz gegen die attisehe
Schule der vorigen Epoche bilden die vorzüglich begabten Meister jetzt
zunächst einige andre Gruppen oder Schulen, welche die verschiedenen
Elemente des Strebens zur weiteren Entwickelung zu bezeichnen scheinen.
Die eine von diesen ist die ionischc Schule, so genannt, weil
sie ihrem Ursprunge nach vornehmlich in den griechischen Städten Klein-
Asiens, und besonders in Ephesos, zu Hause ist. Die Blüthe dieser Schule
fällt bereits in den Anfang des vierten Jahrhunderts. Im Allgemeinen.
scheint sie sich, den Eigenthümlichkeiten des ionischen Stammes gemäss
durch eine Neigung zum Weichen und Ueppigen, durch die Ausbil-
dung eines zarten Colorits und weicher Modellirung, ausgezeichnet zu
haben. Wie entschieden und glücklich man dabei auf lebhafteste Nach-
ahmung der Natur hingestrebt habe, bezeichnet die bekannte Anekdote
des ÄVcttstreites zwischen Zeuxis und Parrhasios, von denen der erste
durch gemalte Trauben die Vögel, der zweite durch einen über die Tafel
gemalten Vorhang den Zeuxis selbst zu täuschen wusste.
Der erste von den Meistern der ionischen Schule ist der ebengenannte
Zeuxis. Der grösste Vorzug dieses Meisters scheint in den Darstel-
lungen zarter Weiblicher Anmuth gelegen zu haben. S0 fand man, dass
er in seinem Bilde der Penelope die Sitteselbst verkörpert habe; so
bewunderte man vor Allem seine Helena, zu deren Darstellung die Kro-
toniaten ihm, damit er aus den vollendetsten Gebilden der Natur das Bild
der höchsten Vollendung entwickeln möge, fünf der schönsten Jungfrauen
der Stadt zu Modellen gegeben hatten. Zierliche Anmuth und lebendige
Charakteristik waren in seinem Bilde einer Kentaurenfamilie vereinigt,
deren auf uns gekommene ausführliche Schilderung schon beim Lesen das
lebhafteste Wohlgefallen erweckt. 1
Der Nebenbuhler des Zeuxis war Parrhasios von Ephesos, dem
eine höhere Reinigung der Verhältnisse des menschlichen Körpers, eine
schärfere Charakteristik, vor Allem aber eine vollkommene Rundung der
Gestalten die Lösung aller Härten des Umrisses zugeschrieben
wird. Unter seinen Gemälden werden mannigfache Darstellungen der
Heroeil erwähnt, einzelne Götterbilder, auch Bildnisse Mitlebender. Für
das Gewicht seiner Charakteristik spricht ein Gemälde, welches (ohne
Zweifel als einzelne Personifieation) das athenische Volk vorstellte und
in welchem die widersprechendsten Eigenthümlichkeiten der Charakterf
anlage zur Erscheinung gebracht waren. Von seinem Gemälde des Theseus
sagte Euphranor, in gutem Glauben an die Richtigkeit seines Urtheilsz.
der Theseus des Parrhasios sei mit Rosen, der seinige mit Rindfleisch
genährt. Diese Bemerkung ist für das Colorit des Parrhasios bezeich-
nend; sie führt uns auf eine ähnliche Behandlung, wie wir sie, in der
modernen Kunst, bei vorzüglichen Meistern der venetianischen Schule
finden. Ueberhaupt darf die venetianische Malerei, und um so mehr, als
1 Lueian, Zeuxis, p.
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