Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Dritte Periode. 
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Leukophryne zu Magnesia erhalten haben 1 und gleichfalls einen Ama- 
zonenkampf darstellen. Hohe Gediegenheit der Composition und treff- 
liehes Verständniss des Nackten geben auch diesen Arbeiten, bei übri- 
gens, wie es scheint, nicht gleichartiger Ausführung, einen eigenthümlichen 
Werth.  Gleiche künstlerische Richtung, in noch mächtigerer Auffas- 
sung, bekundet ein grosses Relief mit der Darstellung einer Kampfscene, 
in der Villa Albani zu Rom.  
Auch in einzelnen Statuen und Statuengruppen oder den Resten von 
solchen scheint sich die durch Skopas vertretene Richtung mit Bestimmt- 
heit auszusprechen. So in dem merkwürdigen Torso einer verwundeten 
Amazone, im Hofe des Pallastes Borghese zu Rom, der sich in Gegen- 
stand und Auffassung den eben erwähnten Darstellungen unmittelbar an- 
reiht.  So in der halbbekleideten Statue der Aphrodite von Melos, im 
Louvre zu Paris, in welcher sich ernste Grössc und reizvoll weiche Fülle 
zur gehaltensten Wirkung vereinigen.  So in jener berühmten Statuen- 
gruppe der Niobiden, welche wir vornehmlich aus dem im Florentiner 
Museum befindlichen Exemplar kennen und bei welcher wir, falls wir das 
Wesen des Skopas und des Praxiteles richtig gefasst, füglich nur auf ein 
Werk des ersteren schliessen können. Die Gruppe scheint das Gicbelfeld 
eines Tempels ausgefüllt zu haben; sie stellt eine Familie dar, welche 
den rächenden Pfeilen der Gottheit erliegt, in der Mitte, hoch erhaben, 
die trauerreiehe Gestalt der Mutter; das Ganze von dem erschütterndsten 
Pathos, dem Ausdrucke des tiefsten Seelenschmerzes erfüllt, aber wiede- 
rum mit der vollen Wahrung grossartigster Würde. Die. Florentiner 
Statuen sind übrigens keine Originale; abgesehen von Ungehörigem, was 
ihnen eingemischt ist, steht die Befangenheit in den Bewegungen und in 
der Behandlung des Nackten, die kleinliche Durchbildung der Gewänder 
mit der machtvollen Grösse der Oomposition in zu auffälligem Wider- 
spruch. Ohnehin haben anderweitig einzeln vorkommende Statuen, nament- 
lich die einer weiblichen Niobide im Vatikan (Braceio nuovo), ein Ge- 
präge freieren und kühneren Adels, welches dem Wesen der Originalität 
ungleich näher steht.  Ob die leider nicht vollständig erhaltene, mit 
dem Namen des Ilioneus benannte Knabenügtir der Glyptothek zu Mün- 
chen diesem Kreise der Niobiden einzureihen, ist zweifelhaft; Doch scheint 
der leidenschaftliche Moment der Darstellung, bei einem jugendlichen 
Körper von ebenso reizvoller wie keuseher Schönheit, auch hier vorzugs- 
weise der Richtung des Skopas zu entsprechen. 
Zu Athen, gegenwärtig im Tempel der Nike Apteros, werden. 
die Bruchstücke eines Marmorfrieses aufbewahrt, die eine Brüstung am 
Rande des Abhanges, über welchem der Tempel steht, bildeten. Sie ent- 
hielten die Darstellung geflügelter Nike-Gestalten in mannigfach verschie- 
dener Action, in einer leichten und meisterlich freien Behandlung. Das 
zumeist erhaltene Stück stellt zwei Nike-Gestalten dar, welche einen 
Opferstier in kühner und lebenvoller Bewegung führen. Auf einem an- 
dern Stück sieht man eine (leider des Kopfes beraubte) Nike, welche sich 
die Sandale des einen Fusses zu lösen scheint. Dies massige Bruchstück, 
Texier, Asie 
111, P1- 
Minem-e,
	        
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