Dritte Periode.
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Bedeutung nur noch in seltnen Fällen bewahrt zu haben. Man wandte
sich leichteren, schlankeren Verhältnissen zu, man nahm den eigentlich
bezeichnenden Theilen ihr Gewicht, man bildete die vorzügliehst charak--
teristischen Glieder, wie z. B. den Echinus des Kapitals, in einer charak-
terlos iiachen Form. Die Reste entsprechender Monumente bezeugen es,
dass es sich hier um eine Tradition handelte, welche die Zeit nur noch
aus überkommener Gewöhnung mit sich führte. Die ionische Form wurde,
wie bisher, Wenigstens in einzelnen Fällen angewandt; für sie fehlt es (in
Hcllas) besonders an hinreichenden Beispielen. Ausserdem erscheint die
dekorativ prächtige korinthische Form,'welche den anmuthvollen Blätter-
kelch an die Stelle des ionischen Volutenkapitäls setzt und früher, in
kaum ganz sicheren Beispielen, nur für vereinzelte Säulen angewandt
war, nunmehr in wirksamer systematischer Verwendung.
An den bedeutenden Monumenten, mit denen sich die kleinasiatische
Küste schmückt, entfaltet sich der ionische Baustyl in reicher Blüthe und
consequenter Durchbildung, aber dabei nach einem gewissen schulmässi-
gen Uebereinkommen, welches gegen die geistreiche Freiheit der attisch-
ionischenReste des fünften Jahrhunderts doch schon ein wenig im Schat-
ten steht. Die Säulen haben theils die reizvoll ausgebildete, eigent-
lich sogenannte ionische, theils die attische Basis. Die Volutenkapi-
täle sind einrinnig, zum Theil schon, in minder lebendiger Weise, mit
gcradlinigem ungesenktem Kanale zwischen den Voluten. Die Gebälke
haben überall den hellenischen Fries angenommen, zugleich aber die tra-
ditionelle (ursprünglich der frieslosen Architektur angehörige) Form der
Zahnschnitte als eine dekorative Zuthat beibehalten, indem sie "dieser
durch Hinzufügung von Eierstabgesimsen in der Regel eine wirksamere
Fülle geben. Neben solcher Fassung des ionischen Säulenbaues bekun-
det die griechisch-asiatische Architektur im Uebrigen Neigung und Fähig-
keit zu einer freier dekorativen Behandlungsweise, die, in der Richtung
des ionischen Gefühles, das Höchste von anmuthvoller WVirkung erreicht.
Es ist hinzuzufügen, dass die überwiegende Bauthätigkeit dieser
Epoche, zumal was die erhaltenen Reste derselben betrifft, der zweiten
Hälfte des vierten Jahrhunderts angehört.
In der ersten Hälfte des Jahrhunderts scheint der Tempel der Athena
Alea zu Tegea, der grösste und prachtvollste des Peloponnes, erbaut
worden zu sein.. Baumeister desselben war der Bildhauer Skopas. Der
Tempel hatte im Aeusseren ein ionisches Peristyl, im Innern dorische
Säulen und Gallerieen mit korinthischen Säulen über diesen. Die syste-
matische Anwendung der koriilthischen Säulenform findet sich hier, _soviel
uns bekannt, zum ersten Male; das ganze Gebäude dürfte für die Um-
Wandlungen des architektonischen Styles von vorzüglichster" Bedeutung
gewesen sein. Vielleicht ergeben sich künftig, bei gründlicher Durch-
forschung der Lokalität, wo einstweilen minder wichtige Reste zu Tage
liegen, nähere Aufschlüsse.
Umfassende Bauausführungen fanden sodann, im zweiten Viertel des
Jahrhunderts, bei derWiedererriohtung des Staates und der Stadt Mes-
sene statt. Die dort befindlichen Reste (dorischer Art) gehören im We-
sentlichen jedoch einer jüngeren Epoche an.