Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Die hzl 
lenisehe Kunst. 
mässigste Anschauung ersetzen zu können. Die Feststellung des Verhält- 
nisses im Allgemeinen bedarf indess einer derartigen Rücksichtnahme nicht. 
Malerischer Sinn und malerische Empfindung machen sich überall durch 
ein Streben nach weicherer Belebung, nach tieferer Beseelung geltend; 
die Wechselwirkungen von Licht und Schatten, in dem Schmelz der Ueber- 
gänge, in "den kräftigen Gegensätzen zwischen beiden,  die Grundbe- 
dingungen malerischer Behandlung, gewinnen eine wesentliche Bedeutung 
unter den künstlerischen Darstcllungsmitteln. Diesen Bedingungen gemäss 
entfaltet sich die rhythmische Gliederung des plastischen YVerkes zur 
vollkommenen Freiheit, unabhängig auch von jenem äusserlichen Hülfs- 
mittel farbiger Zuthat (oder der Zusammensetzung aus verschiedenfarbigen 
Stoffen); -und so verschwindet fortan die unmalerisch polychromatische 
Behandlung der Sculptur, auch der Architektur, welche in der vorigen 
Epoche noch eine so hervorragende Bedeutung gehabt hatte, bald ent- 
weder durchaus, oder sie erhält sich nur in einzelnen Reminiscenzen, nur 
in untergeordneten Beiwerken. 1 
Die Stellung der Sculptur und der Malerei des vierten Jahrhunderts 
ist hiemit, wenigstens ihren Grundzügen nach, angedeutet. Es ist l1inzu- 
zufügen, dass dasselbe malerische Element auch auf die Architektur sei- 
nen Einfiuss äussert. Die Weite dieses EinHusses, namentlich etwa in Be- 
zug auf die Totalität der baulichen Erscheinung, ist bei der geringeren 
Anzahl erhaltener architektonischer Reste wiederum nicht füglich nach- 
zuweisen. In der Detailbehandlung macht sich eine reicher dekorative 
Formensprache geltend, welche der Architektur die eigenthümlichsten 
Reize hinzufügt und mit dem gesammten künstlerischen Wesen dieser 
Zeit im Einklange steht. 
In Betreff der lokalen Verhältnisse ist zu bemerken, dass die attische 
und die peloponnesische Kunstschule aufs Neue in lebhafter Thätigkeit 
erscheinen; die vorzüglicheren monumentalen Unternehmungen in Hellas 
gehören, nachdem der athcnische Staat seine Herrscherstellung eingebüsst 
hatte, dem Peloponnes an. Der Westen, Sicilien und Grossgriechenland, 
tritt von aller umfassenderen Theilnahme an den künstlerischen Entwicke- 
lungen zurück. Statt seiner gewinnt jetzt das griechische und gräcisirte 
Kleinasien in dieser Beziehung eine hervorragende Bedeutung. Neben 
der ionischen Malerschule entfaltet sich dort die ionische Architektur in 
einer Anzahl grossartiger Beispieleyauch die griechisch-asiatische Sculptur 
bekundet sich durch eine Fülle eigenthümlich beachtenswerther WVerke. 
Architektur. 
Die Verhältnisse der architektonischen Entwickelung dieser Epoche 
sind nicht zur völligen Genüge festzustellen. 
In Ilellas selbst scheint man vorzugsweise an der überlieferten d0ri- 
sehen Form festgehalten, aber den Sinn für ihren Charakter und ihre 
 
1 Dass die v'ie1bespr0chene "Cireumlitio" an den Marmorwerken des Praxiteles 
Bemalung, und zwarnaturgemäss durchgeführte malerische Bemalung, gewesen sei, 
1st durchaus unerwiesen. Vgl. meine kleinen Schriften u. s. w. I, S. 313, 3-14, f.
	        
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