Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Dritte Periode. 
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Dritte 
Periode. 
Allgemeines. 
Mit dem Ende des fünften Jahrhunderts v. Chr. tritt eine neue Epoche 
der Entwickelungder hellenischen Kunst,  die ihrer zweiten grossen 
Blüthe, ein. Sie dauert bis gegen den Schluss des vierten Jahrhunderts. 
Es ist die Zeit des lebhaften Widerspiels der Kräfte im Inneren des hel- 
lenischen Lebens, welche auf den peloponnesischen Krieg gefolgt war, 
und des schliesslichen Zusammenfassens derselben durch die macedonische 
Macht unter Alexander d. Gr. Die gemessene Hoheit, welche das Siegel 
der Kunst in der vorigen Epoche gewesen war, konnte bei jenen WVand- 
lungen des Lebens nicht bestehen; sie musste sich gemach auflösen; aber 
bei der Lockerung ihrer Bande gewannen mannigfach neue Keime Raum 
zur Entfaltung. ' 
Der Unterschied der Kunst des vierten Jahrhunderts von der des 
fünften besteht zunächst (larin: dass es fortan nicht sowohl auf das Ge- 
bilde an sich, auf die Exitfaltung seines Organismus, die Aeusserung sei- 
ner Lebensfahigkeit und seiner Lebenskraft, den Rhythmus seiner Ver- 
hältnisse, als vielmehr auf die Gesetze seiner Erscheinung in diesen und 
den anderweit erforderlichen Beziehungen,  auf den Schein (im höchst- 
berechtigten künstlerischen Sinne des Wortes) ankommt. Die Gestalt soll 
nicht bloss da sein, sie soll zugleich die Wirkung ihres Daseins zur 
Schau bringen. Aber die werkthätige Kunst dieser Epoche begnügt sich 
nicht mit dem äusserlichen Princip; in innigem Wechselverhältniss mit 
den Strömungen der Zeit und der tieferen geistigen Erregung derselben 
giebt sie der Gestalt von vornherein zugleich den Zweck der Wirkung, 
lässt sie demgemäss das persönlich Individuelle an die Stelle des Gene- 
rellen, Gattungsmässigen treten, den Ausdruck der Empfindung, des Af- 
fektes, des Pathos oder doch der Befähigung hiezu sich vorzugsweise 
geltend machen. So entfaltet sich eine künstlerische Richtung, in welcher 
die volle Scheinbarkeit der Gestalt nicht bloss als ein Element feinerer 
Durchbildung, sondern als innerlichcs G-ruiulbedingniss gegeben ist. So 
löst sich die Gestalt aus ihrem in sich geschlossenen Dasein, tritt sie in 
Beziehungen nach aussen, wird sie vermögend, die von aussen herantre- 
tenden Beziehungen auch in sich aufzunehmen und widerzuspiegeln.  
Es ist ein malerisches Element, dessen Erwachen sich in alledem 
kund giebt. In der That hat die Kunst der Malerei für diese Epoche 
eine ausgezeichnete Bedeutung, indem sie, und zwar schon im Beginn 
derselben, ehe noch in den übrigen Künsten die neue Richtung durch 
vorzüglich namhafte Meister vertreten wird, zur vollen Entwickelung ihrer 
charakteristischen Eigenthümlichkeit gelangt. Das Uaass des Verhält- 
nisses zwischen der Malerei und den übrigen Künsten,  ob überhaupt 
und in welcher Weise etwa diese unter einer überwiegenden Einwirkung 
jener ihre weitere Ausbildung empfingen, ebenso wie die Malerei bisher 
durch sie genährt war,  kennen wir freilich nicht; es fehlt uns eben 
an aller Anschauung von Meisterwerken der hellenischen Malerei, und 
die Notizen der alten" Schriftsteller über ihre Leistungen, einen wie reich- 
lichen Betrieb sie auch erkennen lassen, sind allzu dürftig, um auch nur die
	        
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