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Die hellenische Kunst.
alterthümlichen Motivs darf dies YVerk als ein Beispiel der Richtung des
Kalamis, welche den Beginn der höheren Entfaltung der attischen Kunst
bezeichnet, aufgefasst werden. In durchgebildetem Adel, hoch und
streng, nicht ganz ohne Reminiscenzen an eine noch typische Behand-
lungsweise, aber voll ruhiger Klarheit erscheint die als Orest und Elek-
tra benannte Gruppe des Museums von Neapel (neuerlich als Hippolyt
und Phädra erklärt). 1 Den parthenonischen Sculpturen in der stillen
Würde des Gedankens, der harmonischen Ruhe, der naiven Behandlung
nahe stehend, ist ein Relief desselben Museums, dessen Gestalten in-
schriftlich als Orpheus, Eurydike und Hermes benannt werden; während
sie auf Wiederholungen desselben Reliefs, in der Villa Albani zu Rom
und iin Louvre zu Paris, als Amphion, Antiope und Zethus bezeichnet
sind. Zahlreiche Reliefs attischer Grabdenkmäler, einfacher Grabsteine
, oder grosser Steinvasen, zu Athen, in den
s, Museen von Berlin, Paris u. s. w. zeigen
X- dieselbe Richtung, dieselbe klare und naive
x wett, l v Oompositionsweise in einer zumeist mehr
, es," g P handwerklichen Ausführung. Die Darstellung
„ ist in der Regel der Abschied des Gestorbe-
' nen von den Seinen.
Als ein Werk polykletischer Schule
' ; ff oder Richtung ist die Bronzestatue eines be-
tenden jüiiglingshaften Knaben, des sogen.
, Adorante, eines olympischen Siegers in
D. i den Wettkämpfen der Knaben, welche die
, 7 Zierde des Berliner Museums ausmacht, zu
X "l 55 bezeichnen. In dieser Gestalt ist noch nichts
i) d; T1 von den geistigen und formalen Wandlungen,
, die mit den hellenisehen Meistern der fol-
W genden Periode eintraten, wahrzunehmen; sie
im Ü ist noch durchaus erfüllt von der hohen Ein-
W ,ri:'äi "x falt, dem keuschen Ernste, der naiven Na-
i: fiff; Qfgirjx türlichkeit, welche das künstlerische Wesen
ÜWÄD j?- WX dieser Epoche ausmacht. Zugleich aber giebt
fliälilllfiillttiiii" sich in ihriidas innigste Lebensgefühl, das
i; A" lauterste Gleichmaass der körperlichen Ent-
Statue des Admnt, wickelung kund, geht aus dem einfachen
Motiv der Bewegung ein völlig wohllautender
Rhythmus in Formen und Linien hervor, der Art, dass wir hier in der
That ein Bild der reinen Vollendung irdischen Seins in edelster Anspruch-
losigkeit vor uns sehen. 2 I
ständigem Wiederholung derselben Composition im Mus. Pio-Clementino (eben-
falls im Vatikan) von untergeordnetem Werthe ist.
1 Panofka, in Gerhards Denkmälern, Forschungen und Berichten, Lief. XVII,
p. 6. 2 Dieser Ausführung gegenüber sieht sich der Herausgeber zu der Bemerkung
veranlasst, dass das besonders schlanke Verhältniss im Bau des Körpers dieser
schönen Statue eher auf die Spätere lysippisehe Zeit und Kunst hinzuweisen