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hellenische Kunst.
Die
nicht; jedenfalls dürfen wir hier die Thätigkeit vorzüglichster Schüler,
wie uns für die Giebelstatuen des olympischen Tempels die Namen von
solchen überliefert sind, mit Ueberzeugilng annehmen.
Am Erechtheion sind zunächst die Weiblichen Statuen, welche die
Decke des auf der Südseite vorspringenden Vorbaues tragen, von Bedeu-
tung. Es sind Jungfrauen in panathenaisehem Festputz; ihre einfach
ruhige Stellung ist ihrer architektonischen Bestimmung angemessen; in
den Gestalten und in der Gewandung ist das schönste körperliche Leben
bereits in weichem Flusse entwickelt. Noch entschiedener spricht sich
die. spätere Zeit, welcher das Erechtheion angehört, in den leider gerin-
gen Fragmenten der Friessculptilreil desselben, deren Inhalt sich auf die
Mythe und den Cultus des Tempels bezogen zu haben scheint, aus. In
den verschiedenartigeren, bewegteren Stellungen dieser Figurenreste zeigt
sich eine weicher durchgeführte Behandlung, die bereits auf die folgenden
Entwickelungen der hellenischen Kunst hinüberdcutet.
Von dem Athenetempel zu Sunion sind einige sehr zerstörte Mete-
penreliefs, zum Theil mit der Darstellung von Kentaurenkämpfen, erhal-
ten. Ueber ihre künstlerische Beschaffenheit fehlt es an näherer Angabe.
Unter den peloponnesischen Tempelsculpturen kommt zunächst der
grosse innere Fries des Tempels von Bassä bei Phigalia (jetzt im bri-
tischen Museum zu London) in Betracht, der in einer durchlaufenden
Darstellung in starkem Relief einerseits einen Amazonenkampf, andrer-
seits einen Kentaurenkampf und zwischen beiden Apollon und Artemis
enthält. Die COIHPOSltlOII ist durch die grösste Mannigfaltigkeit der Si-
tuationen, die höchste Kühnheit und Lebendigkeit ausgezeichnet. Sie er-
innert, ihrer künstlerischen Grundrichtung nach, entschieden an die Fries-
reliefs des Theseustempels und des der Nike Apteros zu Athen; auch
wiederholen sich einzelne der in diesen beiden enthaltenen Seenen hier
in mehr oder weniger freier Nachbildung, der Art, dass hier (ähnlich wie
in der Architektur des Tempels) ein attischer Einfluss, und zwar jener
älteren athenischen Bildhauersehule, mit Bestimmtheit. ersichtlich wird.
Doch steigert sich die lebenvolle Kühnheit hier zu einer eigenthümlich
hastigen und scharfen Manier; es fehlt nicht an manchem Gewaltsamen
und Uebertriebenen in der körperlichen Bewegung und im ÄVurfe der
Gewänder; auch steht die technische Durchbildung gegen die feinere
Grazie jener athenischen Arbeiten zurück. In diesen Elementen scwt
sich das Wesen einer minder durehgebildeten Lokalschule, welcher (ie
Ausführung obliegen und welche sich in übertriebener Nachbildung des
mehr Acusserlichen gefallen mochte, auszusprechen. Hinzuzufügen ist,
dass trotz der höchst erregten Bewegung die Köpfe, mit Ausnahme der
etwas karikirten der Kentauren, des momentanen Ausdruckes ganz ent-'
behren, "im Einzelnen selbst noch eine alterthümliche Starrheit bemerken
lassen. Bei dem Zusammenhang mit jener älteren atheuischen Bildhauer-
sehule, Welche auf die Richtung des Myron zurückzuführen ist, darf hierin
wiederum vielleicht eine Nachwirkung der letzteren erkannt werden.
(Eine Lokalschule, wie die in Rede stehende, konnte am Wenigsten be-
fähigt sein, die myrunische Starrheit der Köpfe in ein mehr begeistigtes
Leben umzuwandeln.)