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Die hellenische Kunst:
bewegt dekorativer Form (statt der Zahnschnitte) gekrönt. Der andre
Tempel (der nicht mehr vorhandene) lag ausserhalb der Stadt am Ilissus.
Seine Formen waren ähnlich behandelt, seine Verhältnisse aber schon
etwas leichter. Der dritte Tempel ist der der Athena Pelias auf
der Akropolis, der eigentliche Oulttempel der Göttin, der zugleich den
Namen des Erechtheions führt, ein uraltes Heiligthum, welches im
mässigen Umfange verschiedene Räumlichkeiten, Reliquien, Zeichen und
Geheimnisse einschloss und dessen älterer Bau durch die Perser Zerstört
war. Er wurde, wie es scheint, erst nach Perikles Tode (429) neu gebaut
und gegen den Schluss des Jahrhunderts vollendet. Die Anlage hat, durch
jene heiligen Traditionen bedingt, einige Besonderheiten, indem der Bau
sich auf verschiedenartiger Bodenhöhe erhebt und mit eigenthümlichen
Nebenhallen versehen ist. Die ionische Architektur entwickelt sich hier
zu reicher Pracht, sowohl an der Vorhalle der Hauptcingangsseite, als
an der auf der Nordseite vorspringenden Säulenhalle. Die Verhältnisse
haben überall die graziöseste Anmuth; die technische Ausführung zeigt
die feinste Vollendung. Die Säulenkapitäle sind mit mächtigen, doppel-
rinnigen Voluten, welche ein sehr lebhaftes Formenspiel hervorbringen,
die Säulenschäfte oberwärts mit einem blumengeschmückten Halsc von
zierlichster Ornamentik versehen. Die Gesimse, die Basen der Säulen
und Wandpfeiler sind auf mannigfache Weise gegliedert und durch pla-
stisch gearbeitete Zierden (statt der nur aufgemalten in der dorischen Bau-
weise) belebt. In alledem macht sich ein bemerkenswerther, die jüngere
Zeit schon entschieden bezeichnender Gegensatz gegen jene straffe Ela-
sticität des Dorismus geltend. Die Friese waren mit Bildwerken ge-
schmückt (eigenthümlieher Weise in der Art, dass die Masse des Frieses
aus dem dunkeln piräischen Steine, (las Bildwerk aus Marmor bestand
und jenem aufgeheftet war); die Krönung des Frieses besteht, wie bei
den ebengenannten kleinen Tempeln, aus dekorativen Gesimsgliedern.
Eine ganz besondre Einrichtung hat die auf der Siidseite vorspringende
Nebenhalle, indem das Gebälk und Dach derselben von weiblichen Statuen
getragen wird. Hier hat zugleich das Gebälk keinen Fries; vielmehr liegt
das Krönungsgesims mit den nach asiatischer Weise darunter befindlichen
Zahnschnitten unmittelbar auf dem Architrav.
Den architektonischen Monumenten Athens schliessen sich zunächst
einige an andern Orten von Attika an.
Zu Eleusis wurde der grossc Mystcrientempel der Demeter nach
dem Plane des Iktiuos gebaut; die ausführenden Architekten der ver-
schiedenen Theile waren Koroebos, Metagenes und Xeuokles. Das
Gebäude war zur Aufnahme einer grösseren Menschenmenge bestimmt
und (lemgemäss eigenthümlich angelegt, in grosser Ausdehnung, durch
Säulenreihen in mehrere Schiffe getheilt, mit Gallerien über denselben
und einer kunstreichen Bedeckung. Es sind davon nur äusserst geringe
Reste bekannt geworden. Ob die Fragmente des Innenbaues der ursprüng-
liehen Anlage angehören, ist zweifelhaft; die Reste eines Portieus an der
Aussenseite und die von verschiedenen ansehnlichen Nebenbauten sind später,
Erhaltene attische Reste dieser Epoche, in dorischer Form ausgeführt
und zumeist, wie sich aus Eigenthümlichkeiten der Behandlung und aus