Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Kunst. 
hellenische 
Die 
Frist, Freiheit und gemessenste Zucht des Einzelnen innig zu verbinden 
und solche Verbindung in den mannigfachsten Lebensbeziehungen zur Er- 
scheinung zu bringen vermochte. 
Jene straffe Besehlossenheit der Form würde aber leicht, zumal bei 
Werken von irgend reicherer Composition, die Grenze des Trocknen be- 
rühren und der entscheidenderen Wirkung entbehren, stände ihr nicht 
ein andres Element künstlerischer Behandlung zur Seite. Dies ist die, 
auf alter Tradition beruhende Verschiedenfarbigkeit einzelner Theile, so- 
wohl bei architektonischen als bei bildnerischen Werken, und die Einfüh- 
rung anderweit farbigen Schmuckes. Hierauf ist bereits im Obigen hin- 
gedeutet; die Entwiekelungsperiode des sechsten Jahrhunderts war solcher 
Weise der künstlerischen Ausstattung (wohl mit derber Verwendung der- 
selben) nicht fremd gewesen; jetzt erscheint sie als ein wesentlicher Theil 
für die harmonische Durchbildung des künstlerischen Ganzen. Es ist der, 
auf der Reminiscenz der ursprünglichen Structur beruhende farbige An- 
strich der oberen Theile des Tempelgebälkes (jedenfalls des (lorischen); 
es sind die, aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzten Bildwerke  
z. B. Elfenbein, auch Marmor, für das Nackte, Gold für die Gewandung, 
 was zunächst in Betracht kommt. Die architektonischen Gesimsglieder 
werden durch farbig aufgetragene Zierden ebenso belebt, wie die Einzel- 
heiten, Säume, Schmuektheile u. A., beim Bildwerk, wie das Auge der 
menschlichen Gestalt (beim Elfenbein oder llrlarmor) durch ein entsprechen- 
des dunkelglänzendes Material. Das architektonische Bildwerk hebt sich 
von farbigem Grunde ab, empfängt auch wohl selbst, seiner Umgebung 
harmonisch eingefügt und den Bcdingnissen der natürlichen Erscheinung 
mehr oder weniger sich annähernd, eine umfassendere farbige Zuthat. U. s. w. 
So reiche Wirkung aber im Einzelnen bei dieser Verschiedenfarbig- 
keit vorauszusetzen ist, so bleibt sie gleichwohl mit der Straffheit der 
Formenbildung überall im Einklange. Es sind klare ungebrochene Farben, 
fern von allem Schmelz, von allen Abtönungen und Uebergängen einer 
malerischen Kunst. Die Farbenanwendung ist noch eine durchaus strenge, 
dekorativ schematische. Auch die wirkliche Malerei dieser Epoche hat 
noch kein andres Gesetz, indem sie sich,  der Malerei aller primitiven 
Kunststufen noch immer entsprechend,  von den übrigen Künsten nur 
dadurch unterscheidet, dass, was bei jenen körperliche Form ist, bei ihr 
einfach zur Umrisslinie wird. 
Die Hauptstätte der künstlerischen Entwickelung dieser Epoche ist 
Athen, wo die glücklichste Einigung der verschiedenen Elemente helleni- 
scher Stammes-Eigenthümlichkeit stattfand und wo, indem Athen für diese 
Zeit der Herrscherstaat Griechenlands war, die günstigsten äusseren För- 
dernisse eintraten. Die Lenker des athenischen Staates, vor allen Perikles, 
strebten dahin, jener Herrseherstellung dmch die Kunst den tieferen Aus- 
druck zu geben. Für die Architektur kommen ausserdem, neben einigen 
peloponnesischen Monumenten, besonders Sicilien und Grossgriechenlanrl 
in Betracht; für die bildende Kunst steht der athenischen Schule die 
argivische gegenüber,  beide Gegensätze Athens als Vertreter des ent- 
schiedener dorischen Elements. Das ionische Griechenthum Kleinasiens 
hat an den künstlerischen Erscheinungen dieser Zeit keinen Autheil,
	        
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