Epochö.
Vorbereitende
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Für den Styl dieser altdorischen Bildnerei gewinnen wir eine An-
schauung aus einer Gattung von Thongeräthen, die in erheblicher Zahl
erhalten sind, den bemalten Vasen ältester Art. Es sind diejenigen,
welche gewöhnlich unpassend als ägyptische oder ägyptisirende bezßichngt
Werden. Sie haben gedrückte rundliche Formen und eine matte hellgelbe
Grundfarbe, auf welche Darstellungen in schwärzlicher und bräunlicher
Farbe, auch mit Hinzufügnng von violetten, rothen, weissen Tinten gemalt
sind; in der Regel Thiergestalten, zum Theil von phantastischer Bildung
(namentlich geflügelte), bei grösseren Gefässen reihenweis übereinander
geordnet. Menschliche Gestalten kommen selten vor; sie erscheinen zu-
meist in Kämpfen mit Thieren, der hellenischen Heroenmythe entnommen.
Nach dem Charakter der dabei befindlichen Inschriften (dorischen Dia-
lektes) gehören diese Vasen besonders dem sechsten Jahrhundert an, fallen
Zum Theil auch Wohl noch später, bekunden zugleich aber ein handwerk-
liches Herkommen, welches unbedenklich auf alter Ueberlieferung beruhte.
Nach einzelnen Funden- darf geschlossen werden, dass sie vorzugsweise
zu Korinth gefertigt wurden. Das Wesentliche in ihrer stylistischen Eigen-
thümlichkeit bezeichnet noch immer ein entschiedenes Vorwiegen des
orientalischen Geschmackes: wie sich derselbe schon in der äusseren Form
der Gefässe ausspricht, so in vielen Einzelheiten der gemalten Darstel-
lungen, namentlich in jenen Wunderthieren, welche zum grossen Theil
geradehin bis auf die assyrischen Vorbilder zurückgehen. Die späte Dauer
dieses Fabrikzweiges mag auf der Starrheit einer handwerklichen Tra-
dition beruhen: die künstlerisch geringere Selbständigkeit der Arbeiten
bedingt es, sie als den Ausfluss und Abdruck einer Geschmacksrichtung
zu betrachten, welche zur Zeit ihres Beginns und ihrer grösseren Ver-
breitung jedenfalls die vorherrschende war.
IlQSo sehen wir auch in der altdorischen Bildnerei vorerst die Elemente
orientalischer Kunst beibehalten, auch hierin eine Stufe künstlerischer
Ausbildung bezeichnend, welche von der etruskischen innerlich nicht ver-
schieden' ist. Wir erkennen es ferner, dass die selbständige Ausprägung
der hellenischen Kunst, indem jenem Betriebe noch so spät ein Theil
unverkümmerten Lebens vergönnt war, ebenfalls erst spät eingetreten
sein konnte.
Die Beschreibung eines merkwürdigen Werkes dekorativer Kunst,
welches die korinthische Herrscherfamilie der Kypseliden im Laufe des
siebenten Jahrhunderts in den Heratempel zu Olympia weihetef lässt
nicht minder Anklänge an jene Darstellungsweise erkennen. Es ist die
„Lade der Kypseliden", ein ansehnliches Werk aus Cedernholz, welches
mit einer überaus grossen Fülle bildlicher Darstellungen von geschnitzter
gründete Auffassung veranlasst haben. Aehnlich irrthümliche Auffassungsweise ist
in neuerer Zeit nicht selten. S0 wenig z. B. die Einflüsse italienischer Kunst auf
die deutsche seit dem löten Jahrhundert zu leugnen sind, mit ebenso grossem
Unrecht hat man dergleichen in vielen Fällen auch für das Mittelalter (wo viel
richtiger Eintlüsse des Nordens aufltalien nachgewiesen werden können) annehmen
zu müssen geglaubt.
1 Pausanias V, 17, 2 E.
Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. I. 7