DIE
HELLENISCIIE
KUNST.
Vorbemerkung.
Die pelasgische Epoche Griechenlands lässt, 0b auch im Nebel der
Sagengeschichte, mancherlei und zum Theil umfassende Völkerhewegung
wahrnehmen. Keine war durchgreifender und folgenreicher, als die Ein-
wanderung der Doricr, am Ende des zweiten Jahrtausends v. Chr. Die
Dorier waren ein nordisches Gebirgsvolk; sie durchzogen die hellenischen
Lande bis zur Südspitze des Peloponnes, setzten sich in letzterem fest
und drängten die älteren Stämme ostwärts bis zur klcinasiatischen Küste
hinaus. Der Glanz der alten Cultur wurde durch sie gebrochen, eine
neue, occidentalische Cultur, welche fortan den bedeutungsvollen Gegen-
satz gegen alles übrige volksthümliche Wesen des Alterthums ausmacht,
begründet. Der hiemit in die Geschichte eintretende Dorismus ist es vor
Allem, was das Griechenthmn zur Kraft eines selbständigen Bewusstseins
erweckte. Ihm gegenüber bildet sich als zweiter Kernpunkt griechischer
Art und griechischen Sinnes der Ionismus aus, eine Verjüngung des alten
pelasgischen Elementes, aber zugleich eine lebenvollere Umwandlung des-
selben, wie solche sich in steter Reibung mit der Weise der dorischen
Stämme ergeben musste. Die sonstigen Stammunterschiede der Griechen
gehen mehr oder weniger in diese beide I-Iauptelemente auf; Sprache,
Sitten, Gebräuche prägen sich nach ihrem beiderseitigen Charakter aus,
und das Allgemeinste des volksthümlichen Ausdruckes, die Baukunst,
nimmt, noch entscheidender als alles Uebrige, zwei bezeichnende Haupt-
formen an, die der dorischen und der ionischcn Bauweise.
Vorbereitende
Epoche.
Primitiv
Dorisches.
Die neue Entwickelung des griechischen Lebens, die Gestaltung einer
neuen und eigenthümlichen Kunst konnte aber nur sehr allmählig erfolgen.
Die nationalen Schwankungen, deren Einfluss sich weithin gen Westen
und Osten erstreckte, erscheinen als sehr bedeutende und längere Zeit
andauernde. Die dorisehen Stämme brachten keine, schon irgendwie höher
ausgebildete Oultur mit; die Entfaltung einer solchen konnte erst nach