Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 1)

Hellas. 
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die einfachen Erdhügel und Steinmale. Tempel und Götterbilder werden 
zwar erwähnt, aber noch mit so wenig anschaulicher Schilderung, dass 
auch bei ihnen auf eine irgend bedeutendere architektonische und bild- 
nerische Gestaltung nicht wohl geschlossen werden darf. Dagegen ent- 
faltet sich in seinen Gesängen die reiche Anlage und die glänzende Pracht 
der Königshäuser, im Einzelnen das Bild eines völlig asiatischen Luxus 
ewährend. Da sind Räumlichkeiten mannigfaltiger Art, Vorhöfe und 
lgiallen umher, grosse Säulensäle, Hinter- und Obergemächer, Gärten und 
Andres, das Ganze von festen Mauern umschlossen. Die Haupträume des 
Innern sind an ihren Wänden mit Erz und Silber, mit Gold, Elektron 
und Elfenbein ausgestattet. Die wundervolle Wohnung des Alkinoos auf 
Seheria hat zugleich schimmerndes Bildwerk: goldne und silberne Hunde 
als Wächter der Pforte und goldne Fackelträger zur Erleuchtung des 
rossen Speisesaales. _ 
g Die bildende Kunst erscheint, wie in dem eben bezeichneten Bei- 
spiele, vorzugsweise als Arbeit in Erz und für geräthliche Zwecke ver- 
wandt. Vor Allem merkwürdig ist die Beschreibung des Schildes, den 
Hephästos für Achill arbeitet und der mit einer unermesslichen Fülle 
bildlicher Darstellungen versehen ist. 1 Der Inhalt der letzteren besteht 
aus den mannigfachsten Scenen des Lebens, die eben nur als solche (als 
reine Genrebilder) gefasst sind und in keiner Art auf besondre, mythische 
oder historische Ereignisse Bezug haben. Eine derartige Aufgabe ist 
wiederum von der späteren hellenisehen Weise wesentlich verschieden; 
Verwandtes mit ihr findet sich nur in der ägyptischen und in der ass  
rischen Kunst, in deren bildnerischen Werken (Reliefs und Wandmalereiefi) 
so häuii eine ähnliche Fülle von Situationen des Lebens, völlig in der 
Weise ffleier Genrebilder, dargestellt ist. Die Veranlassung der letzteren 
beruhtallerdings auf jedesmal angedeuteten historisch persönlichen Be- 
ziehungen; die Abwesenheit auch solcher Andeutung bei den Darstellun- 
gen des homerischen Schildes darf als Zeugniss einer nachahmenden Kunst, 
die bei Aufnahme des Aeusseren der Erscheinung den Zweck derselben 
übersah oder für ihn keinen Anknüpfungspunkt besass, gefasst werden.  
Wie weit übrigens der Dichter bei seinen derartigen Schilderungen im 
Einzelnen wirklich Vorhandenes vor Augen hatte, ist gleichgültig; der 
Gattung, dem allgemeinen Charakter nach kann das Geschilderte nur auf 
der Anschauung von Vorhandenem beruhen. 
Das Machtvolle jener einfach baulichen Anlagen, welche das ur- 
sprünglich Eigne der hellenisch-pellasgischen Kunst ausmachen, der schim- 
mernde orientalische Luxus, der sich, selbst in Verbindung mit bemer- 
kenswerther Bildnerei, darüber ausgegossen zeigt, gewähren ein immerhin 
anziehendes Bild, den Ereignissen, von denen die Sage der griechischen 
Vorzeit berichtet, einen bedeutungsvollen Hintergrund. Aber von den 
Factoren einer selbständig höheren Entwickelung wird darin noch Nichts 
ersichtlich. 
L 
1 Dias, 
478 
XVHI , 
Kugler, 
Handbuch der 
Kunstgeschichte.
	        
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