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V. Das Pelasgerthum.
dieser Halbsäulen erinnert in ihrer weicheren Gliederung und ihren Re-
liefzierden lebhaft an altasiatische Formation (wie dieselbe sich u. A. an
den reicheren Säulenbasen von Persepolis wiederholt); in den anderweiti-
gen Ornamentbildungen herrscht im Einzelnen völlige Uebereinstimmung
mit ninivitischer Verzierlmgsweise.
Vorzüglich merkwürdig ist die Ausstattung des Hauptthores der Akro-
polis von Mykenä, jenes sogenannten Löwenthores. Sie besteht in
einer dreieckigen Reliefplatte von etwa 10 Fuss Höhe, welche das Drei-
eck über der Oberschwelle des Thores ausfüllt. Das Material ist ein fei-
ner gelblicher Kalkstein. Das Relief stellt eine Säule über breitemSUn-
tersatze dar und auf jeder eite
A,Ä eine Löwin, die, sich emporrich-
Vllkilf tend, die Vordertatzen auf den-
f Vfffßilfß, {in selben Untersatz aufgestemmt hat.
Ll am Die Säule ist schlank, nach un-
M 1:; l-X ten verjüngt, mit Kapitälgliedern
5' Nil, und einem besondern Aufsatze
f ' X 1,. "Ä versehen; man erkennt in ihr
cf: das Bild des göttlichen Thorhü-
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Reue, des Löwenthores zu Mykeum Pfeilersymbols. Die Köpfe der
Löwinnen, die wahrscheinlich frei
aus deinGrunde vertraten, sind abgebrochen. Bei einer eigen stumpfen
Technik ist in diesen thierischen Gestalten etwas Schlichtes, Breites, Na-.
turalistisches, das ebenso von der Auffassung der gesammten späteren
griechischen Kunst abweicht, wie es die meiste Verwandtschaft mit alt-
asiatischer Bildnerei hat. Auch einige bezeichnende Details an Säule und
Untersatz haben das weichere orientalische Gepräge.
Wichtige Zeugnisse für die Kunst der pelasgischen Epoche enthalten
endlich die homerischen Dichtungen. Homer steht auf der Grenz-
scheide zweier Weltalter. Die schöne menschliche Naivetät, zu welcher
hin das Griechenthum sich entfalten sollte, hat in seinen Gesängen schon
ihren vollständigen Ausdruck gefunden. Er ist der Lebensquell für alle
späteren Schöpfungen der griechischen Welt: seine Anschauungen aber
sind die der Vergangenheit und beruhen auf den culturgeschichtlichen
Erscheinungen, die-bis zu seinen Tagen (zumal in den Hanptstätten sei-
ncr Anschauung, den ionischen Küsten Kleinasiens,) herüber-reichen. Was
er an Denkmälern, anBau- und Bildwerken schildert, entspricht im We-
sentlichen noch immer den Elementen pelasgischer Cnltur, scheint im
Einzelnen aber allerdings die letzten Ausläufer derselben zu bezeichnen.
Die Grabdenkmäler gefallener Helden sind bei Homer noch immer
Mykenische
Gerhard,
Alterthümer ,