Zweites Buch.
90m4!" Eindringen der Dorer aus dem Norden Griechenlands nach dem Pelo-
Pulnlmimcs" ponnes bewirkt wurde. Dies ist der Beginn der Entwicklung des griechi-
lonier. sehen Lebens. Indem die l)orer den Stamm der Ionier nach Attika zu-
rüekdrängten und ihn zur Colonisation der kleinasiatisehen Küste trieben,
gestaltete sich eine Basis für das Doppelwesen jener beiden so grundver-
schiedenen Stämme desselben Volkes, durch das die vollendet harmonische
Charakter der Entfaltung des Griechenthums bedingt war. Die ernsten, würdevollen,
kriegerischen Dorer bildeten nicht bloss einen Gegensatz, sondern eine
glückliche Ergänzung zu dem weicheren, anmuthigeren, den friedlichen
Künsten mehr zugeneigten Charakter der Ionier; jene wurden durch den
Einfluss dieser gemildert, diese durch den Wetteiter mit jenen gekräftigt,
und nur diesem einzig in der Geschichte dastehenden Weehselverhältnisse
verdanken wir die Wunderblüthe griechischer Cultur. Wie sich hierdurch
erst die Eigenthümliehkeiten hellenischer Sitte ausbilden konnten, muss
auch die Entfaltung der Architektur unter dem Einfluss derselben günstigen
Erste Bildung Bedingungen stattgefunden haben. Es lässt sich demnach annehmen, dass
die Zeit von der Einwanderung der Dorer (um 1000 v. Chr.) bis zur Epoche
w" 10410-600 der in ihren Grundzügen vollendeten Verfassungen, die durch Solons Ge-
wehr" setzgebung bezeichnet wird, auch den Formen der Architektur im Wesent-
lichen ihre feste Ausprägung gab. Die Ordnung der staatlichen Verhältnisse
musste begründet sein, ehe die Kunst zu vielseitigerer Thätigkeit sich auf-
Zwei [Izuipt- schwingen konnte. Gegen Ende dieser Epoche treten uns die beiden Haupt-
style der Architektur, welche den Namen jener beiden Stämme führen, in
geschlossener Form entgegen; so lässt nach Pausanias" Bericht um 650
v. Chr. der sikyonische Herrscher Myron zu Olympia ein Schatzhaus auf-
führen, in welchem ein Gemach in dorischem, ein anderes in ionischcm
Styl erbaut war. Die Gestaltung dieser beiden Bauweisen haben wir nun-
mehr naher zu erörtern.
System der griechischen Baukunst.
Derl-enunq So mannichfaltig die Bauwerke der bisher betrachteten Völker waren,
MS und so verschiedenartig in ihrer Mannichfaltigkeit, so einfach und klar
Urundfomh bestimmt sind die Schöpfungen der griechischen Architektur. Wir haben
hier den Tempel vorzugsweise zu betrachten , da es bei der republikani-
schen Einfachheit enes Volkes keine Paläste gab , und die Kunstform der
Architektur sich gerade am Tempelbau vornehmlich entwickelt hatak).
Steinbau. Zunächst ist hier in's Auge zu fassen , dass die künstlerische Entfal-
tung der griechischen Architektur sich im Steinbaue, und zwar vorzüg-
lich im Marmor, vollzogen hat. Zwar bestand seit den frühesten Zeiten bei
den Griechen auch ein Holzbau: allein für die ästhetische Betrachtung
dürften die früheren Denkmäler, selbst wenn sie sich erhalten hätten, von
untergeordnetem Werthe sein, und was die späteren anbetrifft, von denen
wir bei den Schriftstellern Manches erfahren, so gehörten diese dem Pri-
vatbau an, der durchweg seine Kunstformen von denen des Tempelhauses,
Für die Erklärung des WVescns des griechischen Tempclbaucs und seiner Formen ist als epocha-
machendes Hauptwerk O. Bötticherir Tektonik der Ilellcnen ((5 Bde. in 4, nebst; Atlas in F01. Potsdam
19-14-1852) zu nennen. Die Details der antiken Architektur lindet man in dem reichhaltigen Sammel-
werke von J. M. Manch: Neue systematische Darstvlhxng der architektonischen Ordnungen der Grie-
chen, Römer und neueren Baumeister. Potsdam 1845.