ERSTES
IsTAPYFlCL.
Die
griechische
Baukunvst.
Allgemeines.
Bisher verweilte unsere Betrachtung bei Völkern, denen es bestimmt war, Einsfitigljßit
in beschränkter Weise eine gewisse Richtung des Kunstlebens auszuprägen.
Es lag diese Einseitigkeit, wie wir gesehen, im Wesen ener Völker, wie
in der geographischen Physiognomie ihrer Länder vorgezeichnet. Keines
von ihnen vermochte sich zu einer weltumfassenden Bedeutung zu erheben,
keines zuentsoheidender Einwirkung auf andere Nationen zu gelangen.
Die Inder in den abgelegenen Gebieten ihrer heiligen Ströme, die Perser
in ihren engumsehlossenen Gebirgsthiilern , die Babylonier im Mittelstrom-
lande des Euphrat und-Tigris, die Aegypter endlich in den schmalbegrenzten
Uferstrichen des Nil: sie Alle ohne Ausnahme gruppiren sich mit ihrer
ganzen Existenz um das Gebiet eines Flusses, auf welches sie ausschliess-
lich mit ihrem leiblichen und geistigen Dasein angewiesen sind. Daher in
allen jenen Kunstrichtungen der Mangel individuell hervortretenden Lebens,
innerer Entwicklung, daher die öde Monotonie, die sich mit kaum ver-
änderten Zügen durch die Jahrtausende hinschleppt. Der Bann zwingender
Naturgewalten hält den Geist noch gefesselt, und so gross auch die Ver-
schiedenheit der einzelnen Richtungen war, so bieten diese doch nur den
Eindruck einer grossartigen 'l'heilung der Arbeit, welche der zusammen-
fassenden That des griechischen Genius voraufgehen musste. Jene Kunst-
leistungen sind nur eintönige Melodien, denen erst bei den Griechen die
volle Harmonie folgen konnte ; Sie Sind wie mächtige 'l'reppen zu betrachten,
Welche von verschiedenen Seiten her auf die Höhe führen, die der rnarmor-
strahlende griechische Tempel krönt.
Griechenland dagegen bot in der Lage und Naturbeschalfenheit desüriechenlnrwds
Landes einen bemerkenswerthen Gegensatz gegen jene, Hier erdrückte
nicht die überschwängliche Triebkraft einer tropischen Vegetation; es
Waltete nur die segensreiche Milde und Anmuth eines südlichen Klimas.
Hier war nicht gewissen übermächtigen Naturbedingungen der Boden für
Entfaltung des Culturlebens abzutrotzen; es gab die massige Beschaffenheit
des Landes Anregung zur Thätigkeit, aber auch Aussicht auf erfolgreiches
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